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Ich halte mich im Allgemeinen der Spökenkiekerei für unverdächtig, aber nach Abschluss
des Kaufvertrags, Klärung aller Details und einem Glas Wein mit dem Verkäufer in der
Kajüte fühlte ich gleich zu Beginn ganz deutlich, dass in diesem Rumpf ein guter Geist
steckte. Schöne Linien, viele Drähte im Rigg, eine trockene Bilge, zwei Teekannen aus Alu-
minium, Barometer an der Maststütze und ein Logbuch im Regal signalisierten mir einen
Geist von Schiffigkeit und Geborgenheit, der sofort von mir Besitz ergriff. Der Geist konnte
kein anderer sein als der von John D. Ley, der seinen Namen und KATHENA s Baujahr (1952)
auf einem Messingschildchen im Cockpit hinterlassen hatte. John D. Ley war ein britischer
Konstrukteur und Bootsbauer an der Nordseeküste. »Und was für die Nordsee konstruiert
und gebaut wurde, hat auch Bestand für um die Welt.« Das hatte ich mal gelesen.
Nun glaube ich nicht an Gespenster, sehr wohl jedoch an die Kraft der Begeisterung. Und
so erinnere ich mich an die ersten Tage im Herbst 1965, als ich KATHENA regelrecht ver-
einnahmte. Das Szenario spielte sich in Alicante an der spanischen Mittelmeerküste ab. Ich
weiß noch, was für ein großartiges Gefühl es war, am Kai inmitten der »Hochseevögel« zu
liegen. Ich gehörte endlich auch dazu. Jetzt würde das Leben beginnen. Ruck, zuck.
Ich gab dem Schiff Namen und Heimathafen. Zweizeilig in Schattenschrift, blau und gelb
die Buchstaben, aus der Hand auf den Schiffsrumpf gemalt. Es blieb beim alten Namen KA -
THENA , schon wegen der Bootspapiere und des Aberglaubens. Als Hafen nannte ich das hol-
steinische Büchen, wo ich mal gelebt hatte. Ein Schiff muss einen Heimathafen haben. Das
hatte ich in der Berufsschifffahrt gelernt, wo ich mir Seebeine und Aberglauben erwarb. Jet-
zt nahm ich KATHENA endgültig in Besitz, sie war im Grunde Begleiter und Heimat zugleich.
Zwischen die Fenster in der Kajüte klebte ich eine Weltkarte, die ich aus jeder Position se-
hen konnte. Egal was passieren würde, meine geplante ganz große Freiheit wollte ich nicht
aus den Augen verlieren: Panama, Tahiti, Kap der Guten Hoffnung. Irgendwo dort sollte
sie stattfinden. Obwohl ich noch keine Meile gesegelt war, fühlte ich mich dennoch wie
ein Mensch mit einer Geschichte. Souverän und selbstbewusst bewegte ich mich zwischen
Hafen und Stadt, mehr noch zwischen Boot und Strand. Ich war stolz auf mich, ungefähr so
wie ein Fast-Weltumsegler.
Mein kraftvolles Auftreten basierte auch auf den Arbeiten, die der Seetüchtigkeit des
Bootes dienten. Zum Beispiel das Cockpit selbstlenzend umbauen, Hand über Fuß eine Rel-
ing biegen, zusätzliche Stagen setzen und vieles mehr. Jetzt war es mein Boot. Stolz stand
ich am Kai und bewunderte es - mal von rechts, dann von links und wieder zurück. Sym-
bolisch - mit einem Armschwung - schloss ich es ins Herz.
Bald klebten Fotos am Schott, lagen Schlepplog und Sextant im Schapp, standen Fach-
bücher im Bord. All dies machte die Kajüte individuell und deutete auf Reisen in die Ferne
hin. Vor allem dokumentierte eine Selbststeueranlage am Heck meinen Aufstieg. Ich hatte
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