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mitten in der Bewegung erstarrt sind; wo schmale tückische Bergpfade in entlegenste
Winkel führen - und wo ich nach Einbruch der Dunkelheit oft dem Heulen der Wölfe
lauschte, die mich eines Nachts belauerten: Grün schimmernde Augen huschten durch das
mondhelle Dämmerlicht, kreisten um meinen Lagerplatz. Mir war klar, dass ich die Tiere
verscheuchen musste, und ich erinnerte mich daran, wie ich vor einigen Jahren bei den Ber-
bern im marokkanischen Atlasgebirge saß und eine Handvoll Wölfe um uns herumschlich.
Damals steckten die Männer ihre Finger in den Mund und pfiffen so laut, dass ich glaubte,
mir würde das Trommelfell platzen. Gleichwohl verfehlten die schrillen Töne der Berber
nicht ihre Wirkung: Binnen weniger Minuten waren die Wölfe verschwunden.
Fast ebenso machte ich es jetzt auch: Mit einem langen Stock bewaffnet, lief ich
schreiend auf die Wölfe zu, die erschrocken auseinanderstoben und hinter einigen Fels-
blöcken verschwanden. Dann entfachte ich rasch ein Feuer. Und als die Wölfe nach einer
Weile zurückkamen, knurrend und fauchend, ihre Ruten wütend in den Boden schlagend,
zog ich zwei brennende Äste aus den Flammen, stürmte in die Richtung der Tiere, schrie
erneut aus vollen Lungen und schwenkte die Fackeln wild durch die Luft - bis die Tiere
zurückwichen und endgültig davontrabten.
Anderntags war ich Gast in einem kleinen kurdischen Dorf, wo mir ein paar Männer von
Sultan Saladin erzählten, der 1187 ein 60 000-Mann-Heer der Kreuzritter besiegte und die
heilige Stadt Jerusalem für den Islam zurückeroberte. Vielen Feinden schenkte er damals
das Leben und die Freiheit. Nicht zuletzt deshalb wird Saladin, der einst im Land der Kur-
den geboren wurde, von der kurdischen Bevölkerung noch heute verehrt.
Wir tranken Tee und aßen Fladenbrot, als acht türkische Soldaten lärmend in das Dorf
stürmten. Rücksichtslos drangen sie in die Hütten der Bewohner ein und suchten nach Waf-
fen. Es folgten rüde Verhöre. Doch die Kurden, die offiziell in der Türkei gar nicht existier-
en, zeigten sich trotzig und verschlossen. Schließlich war ich an der Reihe. Man wollte wis-
sen, woher ich kam und wohin ich wollte. Argwöhnisch durchblätterte ein Soldat meinen
Reisepass, während ein anderer den Rucksack filzte. Ich erklärte, dass ich mich auf einer
Wanderung verlaufen hätte. Doch überzeugen konnte ich die misstrauischen und gereizten
Soldaten nicht. Irgendwann stand fest: Ich musste die Patrouille zurück nach Hakkari beg-
leiten.
Ein Gewehrlauf wies mir die Richtung.
Noch am gleichen Abend bezog die Militärstreife in einem einsamen, leerstehenden Haus
ihr Nachtquartier. Um einen Holztisch sitzend, tranken die Soldaten heißen Tee und Raki-
Schnaps gegen die Kälte, während ich draußen im Dunkeln hockte und über meine Lage
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