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Bette meinen Kopf auf einen Seesack, falte die Hände und schließe mit dem Leben ab.
Das war's also. Okay. Ich bin mit achtzehn per Fahrrad nach Indien gefahren, bin als erster
Deutscher allein um die Welt gesegelt, habe das als einziger Deutscher nonstop wiederholt,
habe eine hübsche Frau geheiratet, ein Kind gezeugt, ein Haus gebaut, einen Baum gep-
flanzt, ein Buch geschrieben. War bestrebt, nie mittelmäßige Sachen zu machen. Und habe
deswegen auch diese Extremtour gewagt. Wenn sie jetzt so zu Ende geht - einverstanden.
Dann widerfährt mir etwas, das mich wieder aufmuntert. In dem ganzen Chaos, das in
der Kajüte herrscht, trete ich auf eine Senftube, und der Inhalt schießt mit einem enormen
»Flop« auf die Fensterscheibe. Eigentlich ärgerlich, aber ich denke an die Monsterkracher
da draußen und muss lachen. »Also, wenn ihr hier reinwollt, schießen wir zurück!«
Tun kann ich nichts. Alle theoretische Sturmtaktik wird mit einem Boot dieser Größe bei
solch einem Wetter zum Witz. Es bleibt nur eins: treiben. Möglichst mit dem Heck zu Wind
und See - ohne dass ein Stück Segeltuch gesetzt ist. Zwei volle Tage tobt der Orkan, dann
hat er sich ausgestürmt. Es wurde auch Zeit.
An Deck vollkommenes Durcheinander. Schoten und Fallen schleifen im Meer. Taue
haben sich überall vertörnt, um den Mast gar einige Meter hoch. Stundenlang muss ich
aufklaren - im Angesicht der sich brechenden Kämme. Meine angstschweißdurchtränkte
Unterwäsche fliegt im hohen Bogen achteraus.
Es ist unglaublich, wie gut das Boot die Schinderei überstanden hat. Mein Körper dage-
gen weniger gut. Prellungen machen mir zu schaffen. Aber dem Boot fehlt nichts Ernsthaft-
es. Lediglich die Verstagung des Mastes muss ich nachspannen und neue Windflaggen, die
mir die Windrichtung anzeigen, an die Wanten bändseln. Wie stark der Sturm war, zeigen
sie am besten: Innerhalb von zwei Tagen haben sie allen Stoff verloren. Gewöhnlich ver-
lieren sie in einem richtigen Sturm einen Fingerbreit an Tuch. Da kann ich wirklich sagen:
Ich habe überlebt.
16. Mai - 275. Tag
Am 274. Tag runde ich das berühmte Kap der Guten Hoffnung, und der Bug zeigt wieder
nach Norden. Heimwärts. Großartiges Gefühl. Mann, ist das schön, alle drei großen Kaps
gegen den Wind im Kielwasser zu haben! Mit jeder Meile fühle ich mich ein Stück größer.
Vergesse fast, wie viel Kraft es gekostet hat. Der Grat zwischen Scheitern und Gelingen
war oft schmal. Sehr schmal. Dass letztlich alles gutgegangen ist, lag auch daran, dass ich
nicht alles richtig, aber wenig falsch gemacht habe.
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