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dem Meer zu segeln. Abends in den Himmel zu schauen, ob ins herrliche Licht der pazifis-
chen Südsee oder in die unendliche Gräue der südlichen Breiten. Dafür mache ich es.
Warum das Meer? Warum fortgesetzt Segeln übers Meer? Weil es da ist, weil es zwei
Drittel unseres Planeten bedeckt und weil es nass ist. Ja, auch weil es einen vor Heraus-
forderungen stellt. Keine andere »Landschaft« bietet diese Faszination in Kombination mit
ernsthaften Aufgaben.
Natürlich wird man sich bewusst, dass dieses gewaltige Element tödlich sein kann. Als
15 bis 20 Meter hohe Seen sich am Heck des Bootes brachen, habe ich mich wirklich ge-
fürchtet. Das war 1985 während meiner ersten Nonstop-Fahrt. Da erstarrten Körper und
Geist. Das Adrenalin jagte durch den Körper. Stundenlang. Zwei Mal ist es mir passiert,
dass ich resigniert habe - bildlich gesprochen, den Kopf in den Segelsack gesteckt habe.
Denn ich hätte nichts anders machen können.
Doch zu guter Letzt am Ziel erfüllt mich wieder und wieder ein großes Gefühl der ab-
soluten Leichtigkeit, es geschafft zu haben. Ich glaube, nirgends sonst ist der Bruch beim
Wechsel vom bürgerlichen Leben in die pure Natur harscher und einfacher. Alles ist für
mich schöner am Meer, im Meer und auf dem Meer.
Ein Boot, zwei Segel. Auf geht's. Schweben übers Wasser (auch wenn du schläfst). Sch-
wimmen (der Geschmack von Salz und Algen). Faulsein (nichts tun und trotzdem zufrieden
sein).
So fing es bei mir an. Kein Wecker würde mich aus dem Morgenschlaf holen. Keine
Kompromisse standen an. Da ich allein segeln wollte, würden mir keine »Durchblicker«
hereinreden. Alles dies war für mich entscheidend. Genau davon träumte ich. Kochen auf
einem einflammigen Kocher, Logbuch schreiben, in der Seekarte Ziele abstecken und nach
dem Kompass den Kurs steuern. Nackt und ungestüm wollte ich leben. Wenn mir die Lust
nach Land stand, würde ich in einer Bucht vor Anker gehen oder in einem Hafen fest-
machen, wenn ich Lust zum Schwimmen hätte, Segel bergen und über Bord springen.
Jeder Handgriff würde eine Nuance zum Gelingen beitragen. Jede einzelne Tätigkeit wäre
wichtig. Daher wollte ich immer aufmerksam und sorgfältig an die Dinge herangehen.
Das war wahrscheinlich eine völlig verklärte Sicht auf die Dinge, aber heute wünsche
ich mir manchmal, dass die Segelwelt ein wenig einfacher wäre, weniger technische Hilfs-
mittel im Angebot hätte. Viele Zusammenhänge sind heutzutage nur schwer durchschaubar.
»Kommen Sie«, sagte einmal ein Ostseesegler zu mir, »ich zeige Ihnen mal, was ich
alles an Bord habe.« Radar, Bimini, Heckdusche, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Kühlung,
Heizung, Plotter, den besten Computer. Voller Stolz wurde mir all das vorgeführt. Wenn ich
jedoch vor einer Ozeanfahrt die Wahl zwischen einem schlichten Boot und einer Yacht mit
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