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Eine Atlantiküberquerung von den Kanaren in die Karibik schaffen die meisten Segler in
einem Monat. Ich segelte eindeutig langsamer, weil das Wetter nicht auf meiner Seite war
und mir zudem das Leben auf dem Wasser gefiel. Auf mich wirkte dieses Element wie eine
Verlockung, eine Droge. Sie sollte mir nicht verlorengehen.
Dennoch: Nun kam ich nicht mehr zur Ruhe. Ich fand kaum Schlaf, konnte nicht essen,
nicht abschalten, mich auf nichts konzentrieren.
Ich zwang mich, in meine Kajüte zu steigen und mich hinzulegen. Als ich gegen Morgen
wach wurde, stand ich Sekunden später wieder an Deck. Mir war, als ob ich endlich Land
voraushatte. Hand über Hand enterte ich zum x-ten Mal den Mast halb hoch - und tat-
sächlich, da war Land. Kleine Eilande mit brechenden Seen über Untiefen dazwischen.
Aufpassen, dachte ich, sind das etwa die Grenadinen? Sie waren es. Schnell befanden wir
uns mitten in dem Archipel. Die Grenadinen waren wegen der zahlreichen Inseln und Un-
tiefen die einzige Gegend, wo ich nicht landen wollte.
In meinem Logtagebuch hielt ich fest:
Der 47. Tag: Mit Mühe identifiziere ich anhand meiner Seekarte eine Insel voraus. Es ist
Petit Canouan. Aber davor liegen Petite Moustique und Savan. Ich lege Kurs mittendurch.
Mein Glück erscheint mir sagenhaft. Alle Mastkletterei hat sich gelohnt. Von Deck aus war
Land nicht zu sehen. Hätte ich mich noch einmal in die Koje gelegt und die Seekarte stud-
iert, wie ich es häufig morgens mache, wäre es zu spät gewesen - dann würden diese Zeilen
nicht in meinem Logtagebuch stehen.
Eigentlich hätte ich der glücklichste Mann in der Karibik sein müssen, doch das war nicht
der Fall. Zuerst musste ich durch das Gewirr von Inselchen, Felsen und Brandung segeln.
Die Seekarte wurde wichtig, der Kurs, der Ausguck, meine Übersicht. Die Schot verhakte
sich. Das Vorliek killte. Der Fockbaum schleifte im Meer. Wo war die Seekarte? Ich flog
über Deck.
Nachdem ich die Enge Savan, Petite Moustique, Bequia und einige Felsbrocken passiert
hatte peilte ich St. Vincent im Norden an. 20 Meilen entfernt gegen den Wind. Noch vor
Anbruch der Dunkelheit würde ich dort sein. Ich hatte einen ganzen Nachmittag für läppis-
che 20 Seemeilen. Jaa.
Ich will es schaffen. St. Vincent, ich komme! Stelle die Segel um, Genua gegen Fock. Um
beim Wenden schneller durch den Wind zu kommen, hetze ich über Deck und helfe die
Genua überzuholen. Nutze jede Windänderung. Reiße wild an den Schoten. Passiere zwar
noch Bequia, schaffe es aber nicht zu meinem Ziel. Eine weitere Nacht auf See steht mir
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