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Luft wie eine Schildkröte, die auf dem Rücken liegt. Der Anblick war zum Totlachen.
„Verdammt, hör auf zu lachen und hilf mir hoch“, blaffte sie.
Im Gebirge war Melissa ein anderer Mensch. Unter ihrem zierlichen Körperbau verbargen
sich Kraft und Ausdauer, und zwar sowohl seelisch als auch körperlich. Melissa gab
niemals auf. Probleme weckten bei ihr die instinktive Reaktion zu kämpfen, aber niemals
den Impuls aufzugeben.
„Das liegt an meinem schottischen Blut“, erklärte sie. „Zum Beispiel mein Vater. Er kom-
mt aus Dundee und ist ein kleiner, streitlustiger Bastard aus der Arbeiterklasse. Er sucht
ständig Streit. Ich bin genauso. Ich sehe nur besser aus. Ich weiß noch, als ich zum ersten
Mal nach Dundee kam. Die ganze Stadt ist voller kleinwüchsiger wütender Männer, die
Streit suchen.“
Mit Peter, dem Lehrer, hatte sie die Berge entdeckt. Er war mit ihr Eiswände hochgeklet-
tert, über Gletscher gewandert und hatte mit ihr in Blizzards gezeltet. Sie liebte das. Sie
liebte es, an wilden Orten zu sein, an denen man sich frei fühlt. Sie liebte die körperliche
Herausforderung, mehrere Tage am Stück zu laufen. Und sie liebte die geistige Herausfor-
derung des Hochgebirges - auf sich selbst gestellt zu sein und sich bei Regen, Nebel und
Kälte durchzuschlagen. „Jedenfalls“, sagte sie, „kann ich nur durch Sport und Natur ohne
Heroin auskommen.“
Mini-Nippon
In der letzten Nacht unserer Tour erreichten wir das Haus des Japaners. Er war vor 22
Jahren nach Bolivien gekommen und hatte vorher 20 Jahre in der japanischen Marine
gedient. Er sagte, es würde ihn an seine Kindheit in seiner Heimat in den Bergen erinnern.
Er war ein kleiner, stil er, nervöser Mann, der kein Englisch und nur wenig Spanisch
sprach. Hoch auf diesem abgelegenen Berghang, mit nur ein paar Indianer-Familien als
Nachbarn und einem Rudel kleiner, kläffender Hunde als Kameraden, hatte er dieses Haus
gebaut.
Er baute sein eigenes Essen an und hatte seinen perfekten japanischen Garten liebevoll
gestaltet, mit Bonsai-Bäumen und Miniatur-Brücken über Miniatur-Flüssen. Ein Miniatur-
Japan. Nach 40 Jahren gab es keine Rückkehr in die echte Heimat.
Er zeigte uns seine Postkarten-Sammlung von Wanderern, die ihn früher schon besucht
hatten. Ihn zu besuchen war schon zu einer Art Tradition geworden. Dann verschwand er
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