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„Hey, ihr zwei“, unterbrach Melissa. „Wir haben noch Einkäufe zu erledigen.“
Wir trennten uns. Ich schickte Melissa und Mark zusammen los, weil ich keinem von
beiden zutraute, es alleine auf die Reihe zu bekommen. Ich machte mich auf, um meinen
Teil der Einkäufe auf den Märkten hinter der Kirche des Heiligen Franziskus zu machen.
Ich machte einen Umweg über den Hexenmarkt, wo ein paar Stände in einer engen Gasse
Glücksbringer und getrocknete Lama-Föten verkauften. Sie waren keine zehn Zentimeter
lang und wirkten wie makabre Puppen. Wenn man sie im Fundament eines neuen Hauses
vergrub, sollten sie Glück bringen. Es gab noch andere merkwürdig anmutende Dinge in
Gläsern: Wurzeln, Perlen, Haare, Steine und Statuen, die von Wohlstand und Gesundheit
bis hin zu guten Noten alles Mögliche garantierten. Ich kaufte eine winzige Statue eines
kopulierenden Paares - ein Talisman, der mich (so die Verkäuferin) für Frauen unwider-
stehlich machen würde. Man weiß nie, wann man so etwas mal braucht. („Wenn du eigen-
en Charme hättest, würdest du so etwas natürlich nicht nötig haben“, kommentierte
Melissa später, als ich sie ihr zeigte.) Ich fragte mich, ob sie etwas hatten, was ich gegen
Mark einsetzen konnte.
Auf dem Rückweg machte ich an einem Süßigkeiten-Stand halt. Er war mit einem rund
zehnjährigen Jungen mit triefender Nase und großen Augen bemannt. Ich verlangte 40
Schokoriegel. Der Junge wirkte verängstigt. Erstens wurde er von einem großen fremden
ausländischen Mann angesprochen. Und zweitens … 40 Riegel. Ob er mich richtig ver-
standen hatte? Konnte er sicher sein, dass ich überhaupt Spanisch sprach? 40 Riegel war-
en mehr als er normalerweise in einer Woche verkaufte - geschweige denn auf einen Sch-
lag. Er sah sich dringend nach seiner Mutter um, da er einen Trick befürchtete. Er war
aber allein.
Zögernd bot er mir zwei Stück an. „Nein, ich will 40“, sagte ich. Er war immer noch nicht
sicher, ob er richtig gehört hatte. Er gab mir vier. „Nein, nicht vier. Vierzig“, wiederholte
ich. Ich hielt vier Finger zehnmal hoch, um 40 zu verdeutlichen. Der Junge sah mich in
Panik an. Er war vor Verwirrung paralysiert. Ich begann, vierzig von den kleinen
Schokoriegeln abzuzählen. „Nein, nein, warten Sie auf meine Mutter“, drängte er. Seine
Augen öffneten sich noch weiter, und sein Kiefer fiel herab. Ich wollte nicht den ganzen
Tag warten. Ich wischte die Schokolade in meine Tasche, drückte ihm das Geld für die
vierzig Riegel in die Hand, winkte zum Abschied und ging davon. Der Junge starrte mich
an, dann starrte er das Geld an. Ich hatte nicht einmal gefeilscht. Wie sollte er seiner Mut-
ter das erklären? Melissa und Mark warteten im Torino. Sie hatten genau die Hälfte von
allem gekauft, was wir brauchten. Es war das billigste Zeug von der schlechtesten Qual-
ität.
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