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Die Antwort war hier direkt vor uns im Fernsehen: Die Indianer waren „unsichtbar“.
Natürlich galt das nicht auf den Straßen, aber im Fernsehen oder in den Zeitungen war es,
als würden sie nicht existieren. Ebenso wenig wie in offiziellen Dokumenten, in denen
Aymara und Quechua, die wichtigsten Sprachen der Anden, keinerlei offiziellen Status
haben.
Sogar die Namen ihrer Heimatländer verbergen ihre Existenz. Kolumbien: Nach Kolum-
bus, einem Italiener, der nie seinen Fuß auf kolumbianischen Boden gesetzt hatte. Bolivi-
en: Nach Simón Bolivár, einem Latino aus Venezuela, der rund zwei Wochen in Bolivien
verbracht hatte.
Ecuador: Nach einer gedachten Linie. Der Name Peru bezieht sich allerdings auf Indianer,
aber nicht auf ein Volk, das tatsächlich aus Peru kam - es war irrtümlicherweise nach den
Biru benannt worden, die einmal an der Pazifikküste Kolumbiens gelebt hatten. Der
Amazonas: Benannt nach einer griechischen Legende über einen Stamm von weiblichen
Kriegern aus der Nordtürkei oder Bulgarien. Indianer im Allgemeinen: Benannt nach
einem Land auf der anderen Seite des Planeten. Die amerikanischen Kontinente insges-
amt: Benannt nach einem weiteren Italiener, Amerigo Vespucci, einem zwielichtigen Mit-
glied einiger Expeditionen zum nordamerikanischen Festland zwischen 1499 und 1502.
Latein amerika - benannt nach einer Minderheit der Eroberer, nicht nach der eroberten
Mehrheit.
Dank Hollywood stellen wir uns die Indianer als büffeljagende Reiter in den Ebenen Nor-
damerikas vor, obwohl sie eigentlich noch gar nicht allzu lange auf Pferden geritten waren
und es in Lateinamerika weit mehr Indianer gibt als in den Vereinigten Staaten. 22
---22 Vor der Eroberung war die Einwohnerzahl in Nordamerika ohnehin viel geringer gewesen, und die Indianer waren
entweder getötet oder in Reservate gezwungen worden. Die einfallenden Europäer wollten das Land bestellen. In Sü-
damerika, vor allem in den Anden, war die europäische Besiedlung begrenzt: Die Europäer brauchten die Indianer für
die Arbeit in den Minen und Plantagen. Es war weitgehend eine Frage des Timings. Südamerika wurde zuerst besiedelt,
zu einer Zeit, in der Europa - gelinde gesagt - unterbevölkert war. Zur Zeit der Massenauswanderung aus Europa im
neunzehnten Jahrhundert war das beste Land in Südamerika bereits „Eigentum“ von etablierten Latino-Eliten. Was -
wie z.B. der Amazonas - noch nicht vergeben war, war weniger einladend als die „leeren“ Prärien Nordamerikas. De-
shalb trieb es die armen, hungernden Massen Europas nach Norden, nicht nach Süden.
Die Eroberer Lateinamerikas haben eine Fiktion kreiert, in der die Indianer kaum existier-
en. Ihnen wurde der Status von Lasttieren zugewiesen: Da zum arbeiten, aber in der fein-
en Gesellschaft kaum erwähnt.
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