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tragen worden und dann mutiert waren oder sich durch mangelnde Hygiene oder Han-
delsbeziehungen mit Afrika und Asien verbreitet hatten. Die Indianer hatten keinerlei Ab-
wehrkräfte gegen Krankheiten wie Pocken, Beulenpest, Masern, Keuchhusten, Grippe,
Gelbfieber oder auch nur die gewöhnliche Erkältung. Diese Krankheiten fegten über die
amerikanischen Kontinente hinweg, selbst in Gegenden, in die die Europäer noch gar nicht
vorgedrungen waren.
Man stelle sich den Schrecken einer solchen Zeit vor. Innerhalb eines Lebensalters starben
vielleicht neun von zehn Menschen in der gesamten Neuen Welt. Manche Historiker
schätzen, dass die Einwohnerzahl des Inkareiches in nur 28 Jahren von 32 Millionen im
Jahre 1520 auf 5 Millionen im Jahre 1548 fiel - in lediglich 28 Jahren - und auf nur
zwei Millionen im Jahre 1600. Die Todesrate übertraf sogar den Schwarzen Tod oder die
Todeslager der Nazis. Es war der größte Völkermord der Geschichte. 9
--- 9 Das Verhältnis stellt sich folgendermaßen dar: 1992 betrug die Einwohnerzahl von Peru, Bolivien und Ecuador
zusammen 41,1 Millionen. Zwischen 1542 und 1570 fiel die Einwohnerzahl der amerikanischen Kontinente insgesamt
von vielleicht 100 Millionen auf 10 Millionen: Die 90 Millionen Toten entsprachen rund einem Fünftel der gesamten
Menschheit. Da es keine genauen Zahlen gibt, handelt es sich hierbei nur um eine Schätzung. Manche Historiker glauben,
dass die Bevöl-kerungszahl vor dem Kontakt viel geringer gewesen war - aber das ändert nichts an der entschei-denden
Tatsache, dass es sich hier um einen kaum jemals überbotenen humanitären Albtraum handelt. (Dieselben Vorbehalte gel-
ten für die Zahlen über die Potosí-Minen im nächsten Kapitel.)
Entlang der Küste
Von Tumbes nahmen wir einen Bus nach Lima, das 20 Stunden weiter südlich liegt. Es
war wieder einmal eine Schrottkiste ohne Klimaanlage und mit Fenstern, die sich entweder
nicht öffnen oder nicht schließen ließen. Die Sitze waren abgeschraubt und näher anein-
ander gerückt worden, um mehr Passagiere hineinpacken zu können. Zwei Jungen spielten
die Beifahrer, hängten sich aus der Tür und warben an jeder Haltestelle um Passagiere.
Frauen trugen Babies, die an einem oder beiden Nippeln hingen. Verzweifelte Hühner
steckten ihre Köpfe aus Löchern in Pappkartons. Ein Ferkel lag zusammengerollt in einem
Korb unter einem Sitz. Das Dach, der Gang, die Lücken unter den Sitzen, die Gepäcknet-
ze und jeder andere verfügbare Raum waren mit Taschen, Kisten, farbigen Bündeln und
Lebensmitteln vollgestopft. Kinder heulten, und eine Criollo -Popkassette plärrte aus den
Lautsprechern. Das Rückfenster war von einer grellen abgemalten Darstellung der Jung-
frau Maria in Lebensgröße bedeckt. Auf einem glitzernden Silberstreifen auf der Winds-
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