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Campesinos, Mestizos und Latinos
Die Bevölkerung der Anden besteht im Wesentlichen aus einem Mix aus Ureinwohnern
(hauptsächlich Quechua-Indianern) und Spaniern. In Ecuador, Peru und Bolivien sind
rund fünf von zehn Menschen reine Indios, die man im Hochland als Campesinos bezeich-
net (was wörtlich „Bauern“ heißt).
Drei oder vier sind Mestizos (Mischlinge) und nur einer ist ein Latino oder Blanco - das
ist eine „weiße“ Person mit spanischen/europäischen Vorfahren. 3
--- 3 Campesina, Mestiza und Bianca sind die weiblichen Formen, wobei die Endung auf -a im Spanischen das weibliche
Geschlecht anzeigt. Es gibt aber auch einige schwarze Volksgruppen -
hauptsächlich entlang der Pazifik-Küste - sowie ein paar verstreute „Restgruppen“ - z.B.
Chinesen, Japaner und Libanesen. Da alle allgemeinen Bezeichnungen für die indigenen
Volksgruppen Nord- und Südamerikas von den Kolonialmächten geprägt wurden, weshalb
sie alle nicht sehr treffend sind (vor der spanischen Eroberung benötigte man keine allge-
meine Bezeichnung), halte ich mich an den eindeutigsten Ausdruck „Indianer“ - trotz der
offensichtlichen Schwächen (z.B., dass sie nicht aus Indien stammen).
In Wirklichkeit ist es nicht ganz so einfach. Wie Ronald Wright in seinem Buch Cut
Stones and Crossroads sagt, ist ein Mestizo oft ein Vollblut-Indianer, der in die Stadt
gezogen ist, Spanisch anstelle von Quechua gelernt hat und westliche Kleidung trägt.
Einige Latino-Familien aus der gesellschaftlichen Elite Perus führen ihre Herkunft auf Ver-
bindungen zwischen Conquistadores und Frauen aus dem Inka-Adel zurück, weshalb sie
ethnisch gesehen eigentlich Mestizos sind. Trotz dieser gewissen Unschärfen springt es
doch ins Auge, dass eine Latino-Elite mit vorwiegend europäischen Wurzeln über eine
vorwiegend indianische Bevölkerung regiert: Politiker, Großgrundbesitzer, Geschäftsleute,
Richter, Anwälte, Ärzte, Journalisten und Schriftsteller sind fast durchgängig Latinos. Je
indianischer man ist, desto ärmer ist man in aller Regel auch. Je näher man der Gruppe
der Latinos steht, desto reicher ist man. (Diese Regel scheint auch für das Verhältnis der
südamerikanischen Länder untereinander zu gelten, wobei Bolivien, Ecuador und Peru am
unteren Ende der Armutsskala angesiedelt sind und Argentinien an der Spitze rangiert.)
Kurz gesagt, die Anden-Staaten sind indianische Nationen, die von einer Latino-Minder-
heit regiert werden. Es ist ein verstecktes rassistisches Apartheid-System mit einer Gesell-
schaftsordnung, die sich seit der spanischen Eroberung vor 500 Jahren kaum verändert hat.
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