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Als ich dran war, sah mich die Frau am Schreibtisch irritiert an. „Aber warum sagen Sie
mir das, Señor ? Er hat das Land nicht verlassen. Vielleicht sollten Sie es im Büro der
Gerichtsmedizin versuchen.“ In Kolumbien war es offenbar schwieriger, einen Tod zu
melden, als zu sterben.
Sie gab mir die Adresse der Gerichtsmedizin. Sie lag auf der anderen Seite der Stadt, in der
Nähe der Polizeistation, in einem Bürohochhaus über einem kleinen, heruntergekommenen
Einkaufszentrum. Sie war über die Mittagszeit geschlossen.
Mein Spanisch reichte kaum aus, um mit diesen Umständen fertig zu werden, die das Kon-
versationswörterbuch nicht berücksichtigte. Ich fand ein Cafe und kehrte nach dem Mitta-
gessen wieder zum Büro der Gerichtsmedizin zurück. Dieses Zimmer war ziemlich groß,
mit ein paar Schreibtischen, Aktenschränken und nackten weißen Wänden. Rund zehn
Leute drängten sich um einen Tisch, auf dem ein reisender Verkäufer einen Koffer voll
Schmuck geöffnet hatte. Ich erklärte, dass ich den Gerichtsmediziner suchen würde. Eine
Frau sah auf.
„Der Gerichtsmediziner ist beim Mittagessen, wenn Sie bitte warten möchten.“ Ich setzte
mich und wartete. Eines der Mädchen begann, sich mit mir zu unterhalten. Sie hatte einmal
eine Verwandte in Australien besucht und sprach etwas Englisch. „Es tut mir leid, dass Ihr
Freund gestorben ist.“ Sie machte eine Pause, lächelte mitleidsvoll und fuhr fort: „Kom-
men Sie aus Australien? Ich war vor fünf Jahren in Sydney und Melbourne, um meine
Tante zu besuchen. Australien ist wunderschön, meinen Sie nicht? Sehr sauber.“ Niemand
arbeitete. Es gab auf den Schreibtischen oder im leeren Büro keine Hinweise, dass hier
jemals gearbeitet worden war. Endlich kam ein weißhaariger Mann mit wichtiger Mine
hereinmarschiert.
„Ja, das ist die Gerichtsmedizin. Aber es ist nicht das richtige Büro, um einen Tod zu
melden. Sie müssen zu Dr. Lopez in der Fiscalia gehen.“
Ich hatte keine Ahnung, wo (oder auch nur was) die Fiscalia war, und fragte mich schon
lange nicht mehr, warum es sonst niemandem in den Sinn gekommen war, mich darauf
hinzuweisen, dass ich im falschen Büro war. Schließlich hatte ich seit einer Stunde dort
gesessen. Ich erwartete, dass die Fiscalia auf der anderen Seite der Stadt neben dem DAS-
Büro sein würde, aber diesmal war sie in demselben Gebäude. Ich folgte seiner Wegbes-
chreibung und fand meinen Weg durchs Betontreppenhaus. Auf dem nächsten Treppenab-
satz waren die Türen durch Eisenstangen geschützt. Ein Sicherheitsmann saß hinter einem
kleinen Tisch.
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