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ständig: „Ich bin tot.“ Er blieb ein solch geisterhafter grauer Schatten, dass niemand so
recht vom Gegenteil überzeugt war. Den größten Teil des Nachmittags spazierte Robert
in einer Trance umher. Bei Einbruch der Dunkelheit setzte er sich schließlich zu uns ans
Lagerfeuer. Melissa kochte ihm etwas zu essen und saß bei ihm, als er vom Trip langsam
runterkam. Dann schlief er zusammengerollt im Sand neben unserem Feuer ein. Am näch-
sten Tag konnte er sich nicht mehr daran erinnern, tot gewesen zu sein.
„San Pedro“, sagte Carlos, „habe ich einmal versucht. Nie wieder. War schlimmste Tag in
meine Leben.“ Er sagte nicht, warum, aber ich bin sicher, Carlos hatte Erinnerungen, die
ihn verfolgten. Immerhin war er die letzten sechs Jahre in der Fremdenlegion gewesen. Er
hatte echte Schlachten erlebt. Wer weiß, was er gesehen und getan hatte? Getreu seinem
Zeitplan in Vilcabamba gönnte sich Mark einen Tag Pause und schlug dann vor, dass wir
drei am nächsten Tag etwas von dem San Pedro probieren könnten.
Wir nahmen es um die Mittagszeit. In einem Punkt hatte Mark recht: Es schmeckte eklig.
Ein paar Stunden saßen wir in unserem Camp herum und warteten. Ich hatte meine Hänge-
matte tiefer gehängt, sodass Melissa und ich nebeneinander darauf sitzen und die Füße
auf den Boden stellen konnten - wie auf einem durchgesessenen alten Sofa. Mir lief ein
Schauer der Erwartung über den Rücken.
Mark lag in seiner Hängematte und döste. Die Wirkung trat langsam ein. Ich empfand ein
vages merkwürdiges Gefühl. Nicht, dass ich selbst mich irgendwie komisch fühlte. Es war-
en eher der Strand, die Palmen, das Meer und der Sand. Plötzlich schien alles sich zu ent-
fernen und gleichzeitig doch lebhafter und lebendiger zu werden. Ich hatte das Gefühl, dass
ich von den Menschen um mich her wegdriftete. Andere Menschen schienen nicht mehr
vollständig real zu sein - sie waren nur noch geisterhafte oder eingebildete Objekte, die
mein Gesichtsfeld bewohnten.
Ich erinnerte mich an eine Fantasie aus meiner Kindheit, in der ich mir vorstellte, dass nur
bestimmte Menschen wirklich waren. Es waren Menschen, die ich kannte oder regelmäßig
sah oder deren Augen meinen in einer Menschenmenge begegneten. Der Rest - namenlose
menschliche Umrisse, die in belebten Straßen vorüberhuschten und mir nie mehr begegnen
würden - stellte ich mir als etwas weniger Reales vor. Roboter vielleicht, oder vergängliche
Trugbilder - flüchtige Erscheinungen ohne Namen oder Seelen.
Nun war der Strand voll von solchen Trugbildern. Ein paar gewohnte Gesichter blieben
hier und da erhalten: Carlos, der hinter uns saß und seinen Lagerplatz säuberte; Phillipe
und seine Freunde, die um ihr Lagerfeuer saßen und redeten. Und dann, als sie weiter weg
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