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Carlos
Carlos campierte direkt hinter uns. Er war Italiener und hatte das ordentlichste Camp in Ar-
recifes; er fegte sogar jeden Morgen den Boden. Carlos war vierzig, aber unter allen Leu-
ten am Strand in der besten körperlichen Verfassung: Starke Muskeln, kein Gramm Fett,
mit einem sauber gestutzten pechschwarzen Bart. An Carlos war alles ordentlich. Er war
kürzlich erst aus der französischen Fremdenlegion entlassen worden, was vielleicht seine
Fitness und seine militärische Ordnungsliebe erklärte.
Jeden Morgen stand er auf und säuberte den Bereich um sein Zelt, kochte Kaffee und legte
sich dann in seine Hängematte, um genau bis 12 Uhr mittags zu lesen. Dann kochte er noch
einen Kaffee und rauchte eine Bambus-Wasserpfeife. Dann lehnte er sich ein oder zwei
Stunden lang zurück, um danach für zwei Stunden mit seiner Harpune fischen zu gehen.
Danach sammelte er Feuerholz oder joggte am Strand, bevor er das Abendessen kochte. Er
war ein Mann mit festen Gewohnheiten.
Er wusste auch, wie man am Strand lebte. Sein Feuer sprang beim geringsten Stochern an,
während ich durch meine dichte Rauchwolke hinüber blinzelte, die meine eigenen kläg-
lichen Versuche verriet. Mit zwei scharfen Schnitten seiner Machete öffnete er eine Kokos-
nuss. Ich entdeckte, dass auch das nicht so einfach ist, wie es klingt - als ich es versuchte,
sprang meine Machete mit lebensbedrohlicher Heftigkeit zurück. Ich schlug Carlos vor, er
könne „Beach-Survival-Tours“ für wohlhabende Touristen anbieten. Er könnte sie an ein-
en verlassenen Strand mitnehmen, damit sie für ein paar Wochen ihre Robinson-Crusoe-
Fantasien ausleben konnten. Den Abschluss würde natürlich ein feudales Hummer-Essen
bilden. Er könnte dafür ein Vermögen verlangen. Natürlich erforderte das eine gewisse
Übung, aber Carlos hatte jede Menge davon. Er ging für vier oder fünf Monate an einen
Strand, wie andere für einen Urlaub von zwei Wochen. Er war in einer Fischerfamilie in
Neapel aufgewachsen und hatte zeitweise sein Geld als Taucher verdient. Er war ein Ex-
perte im Speerfischen, lebte von Fisch und Kokosnüssen und kaufte lediglich ein paar not-
wendige Dinge wie Reis und Öl dazu. Um sein Leben interessanter zu gestalten, jagte er
nur besondere Fische, die schwer zu fangen waren.
„Iss nix Sport, wenn man nur fängt irgendeine Fisch“, sagte er. „Ich komme lieber zurück
mit nix.“ Wenn er einen guten Fang gemacht hatte, verkaufte er Fisch an andere Touristen:
Zackenbarsch, Makrele, Roten Schnapper, Tintenfisch und Hummer, alle frisch aus dem
Meer. Natürlich gab es denselben Fisch noch billiger bei den einheimischen Fischern, wenn
wir uns die Mühe machen wollten, so weit zu laufen. Eines Tages fing Carlos einen riesigen
Hummer, den er vor seinem Zelt in einen Eimer steckte und für 10.000 Pesos zum Verkauf
anbot. Es war der größte Hummer, den wir je gesehen hatten, also beschlossen wir, uns
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