Travel Reference
In-Depth Information
Stadtzentrum war wie ausgestorben. Ausrangierte Flaschen und Zeitungen lagen verstreut
in den Straßen; Plastiktüten wirbelten überall herum; sie wurden vom Wind aufgewirbelt
und in unsere Gesichter geblasen. Bettler, Straßenkinder und streunende Hunde bahnten
sich mit Fußtritten ihren Weg durch den Abfall oder schliefen in Ladeneingängen unter
Bergen von Zeitungspapier.
Wir hatten uns mit Mark im Hotel California verabredet. Wir hatte es vor allem deshalb
gewählt, weil wir sicher waren, dass wir den Namen nicht vergessen würden. Es war das
deprimierendste Hotel, das ich je gesehen hatte. Es befand sich im zweiten und dritten
Stock eines heruntergekommenen Bürogebäudes; die Zimmer waren durch abgerissene
Papp-Trennwände abgeteilt, die kaum bis zur Decke reichten und mit einer kackbraunen
Farbe bemalt waren, die von einer Lage Fett und Staub bedeckt war. (Ich hoffte zumindest,
dass es Farbe war.) Wäscheleinen füllten die Rezeption. Ein blasser, dreckiger Abglanz von
Tageslicht war das einzige, was durch die staubbedeckten Oberlichter drang. Man musste
schon sehr verzweifelt sein, um dort zu übernachten, obwohl ich sicher war, dass Mark es
getan hätte. Von ihm fehlte aber jede Spur. Wir fanden ein besseres Hotel, dessen einziger
Nachteil war, dass der Ventilator die oberen fünf Zentimeter meines Kopfes abrasiert hätte,
wenn ich aufrecht gestanden wäre. Die Lobby war voller Geschäftsleute, die zusahen, wie
die kolumbianische Mannschaft irgendein Aufwärmspiel für die Fußballweltmeisterschaft
bestritt. Meine Augen leuchteten auf. Melissa stöhnte.
Eigentoooor! Eine Geschichte über Fußball, Kokain und Yankees
Die Kolumbianer lieben Fußball. Sie interessierten sich auch jetzt weit mehr für die be-
vorstehende Fußballweltmeisterschaft als für die Präsidentschaftswahlen, die kurz vor der
Meisterschaft anstanden. Die Nationalmannschaft hatte die argentinische Mannschaft in
Buenos Aires mit 5:0 haushoch geschlagen - ein sensationelles Ergebnis, gefolgt von
wilden Feierlichkeiten mit vielen Toten. Und ganz im Sinne der kolumbianischen Tendenz
entweder zu absoluter Hoffnungslosigkeit oder überschwänglichem Optimismus waren alle
davon überzeugt, dass man die WM gewinnen werde. Sie hatten seit dreißig Spielen nicht
verloren. Sogar Pelé tippte auf sie. Carlos Valderrama - ein Junior-Spieler und Barranquil-
las Lokalheld - war der Spielmacher, mit seinem blonden Afro-Schnitt und seinem schlaf-
fen Schnurrbart eine allseits gegenwärtige Gestalt. Aber die Kolumbianer hatten Probleme
mit ihrer Mannschaftsaufstellung. Im El Prado in Santa Marta hatte ich gesehen, wie sie
ihr letztes Spiel bestritten hatten - zusammen mit einem Teenager-Jungen, der in der ersten
Hälfte eine ganze Flasche Rum gesoffen hatte und in der zweiten schluchzend am Boden
gelegen war.
Search WWH ::




Custom Search