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Kapitel 6
Die Karibik: Karneval!
Santa Marta
Der Bus zur Küste war geradezu luxuriös. Es war seine Jungfernfahrt - Schilder, die über
die ganze Busstation verteilt waren, priesen ihn als das Allerneueste an Komfort und Zuver-
lässigkeit an. Es wurde sogar ein Band zerschnitten. Ich machte es mir in meinem Sitz
gemütlich und zupfte gerade unauffällig an meiner Nase, als ein Fotograf an Bord sprang
und uns für die Publicity fotografierte. In meinen Albträumen komme ich nach Kolumbien
zurück und stelle fest, dass mein Bild überall in den Busstationen verteilt ist - mit einem
Finger im linken Nasenloch.
Wir erreichten Santa Marta im Morgengrauen. Diesmal hatten wir das Hochland endgültig
hinter uns gelassen. Es war sieben Uhr morgens und hier an der Karibik schon brütend heiß.
Wir nahmen ein Taxi zum Hotel Miramar.
„Die Costeña -Mädchen sind die schönsten in ganz Kolumbien“, verkündete der Taxifahrer.
Nach kurzem Nachdenken machte er eine schwungvolle Geste mit der Hand und fügte hin-
zu: „Die schönsten auf der ganzen Welt.“
Als er erfuhr, dass wir aus England kamen, gab er eine ausführliche Beschreibung eines
Fußallspiels zwischen Kolumbien und England aus dem Jahre 1965 oder so. Kolumbien,
sagte er, schaffte nach einem Tor durch Bobby Charlton den Ausgleich zum 1:1. Je näher er
dem Ausgleich kam, desto aufgeregter wurde er. „Toooor“, schrie er und griff gerade noch
rechtzeitig ins Lenkrad, um einem entgegenkommenden Auto auszuweichen.
Das Miramar war wieder mal ein klassischer Gringo-Trail-Billigladen. Jeder Rucksacktour-
ist in Santa Marta ging dorthin, obwohl es mindestens 20 Hotels gab, die sauberer und ruhi-
ger und genauso billig waren. Das Miramar sah aus wie ein Gefängnis. Ein Gringo-Gefäng-
nis. Das Haupttor, von dem aus man unmöglich das Meer sehen konnte (denn „Miramar“
heißt „Meerblick“), das am Ende der Straße war, wurde von einem schweren Eisengitter
geschützt, das nachts abgeschlossen wurde, um entweder die Einheimischen aus- oder die
Gringos einzusperren. Innen hatte es einen halbüberdachten Innenhof. Die Rezeption war
in der vorderen überdachten Hälfte. Daneben standen ein paar arg mitgenommene Sessel
und ein Fernseher, der auf ein amerikanisches Satelliten-Programm eingestellt war. Um die
Rezeption herrschte immer geschäftiges Treiben. Rucksacktouristen checkten ein oder aus
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