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ten an gewaltigen Klippen und herumliegenden Felsbrocken vorbei, die so groß wie Häuser
waren, und an merkwürdigen Pflanzen, den Frailejónes , die mannsgroßen Ananasfrüchten
ähnelten.
Wir zelteten an Gletscherseen, an denen kein einziger Grashalm wuchs. Die einzigen
Farben waren das Weiß des Schnees und der Wolken, das Grau der Felsen und das Blau der
Seen und des Himmels.
Nicht einmal einzelne Vögel flogen über unseren Köpfen. Die einzigen Geräusche waren
der Stoff unseres Zeltes, das im Wind flatterte, und ab uns zu ein gewaltiges Krachen, wenn
ein riesiges Stück Eis von einem Gletscher brach und auf die darunterliegenden Felsen auf-
schlug. Das Echo hallte ewig in den Bergen wieder.
Am Morgen war unser Zelt mit Eis bedeckt, genau wie beim Trekking in Bolivien. Melissa
war in ihrem Element.
Sie führte mich einen weiteren Gletscher hinauf bis zum Bergkamm. Da ich keine Steigeis-
en hatte, griff ich auf die SteinzeitTechnologie zurück und fand ein paar scharfe Steine,
die ich als Eispickel verwenden konnte, falls ich fiel. (Der Sinn besteht darin, dass man
den Pickel in den Schnee schlägt, wenn man fällt, und sich daran festhält, damit man nicht
den eisigen Hang hinunterrutscht.) Melissa lief leichtfüßig voraus und trat eine Spur in
den weichen Mittagsschnee. Sie lachte zu mir zurück, als ich zögernd in ihrem Kielwasser
hinter ihr her krabbelte und dabei meine beiden Steindolche bereithielt, um sie in den Sch-
nee zu stoßen. „Du kannst nicht dein ganzes Leben lang darüber nachdenken, ob du hinfal-
len könntest“, schrie sie.
Ihre Worte hallten von den Klippen wieder. Ich erreichte den Kamm. Diesmal standen
wir über den Wolken, die das Tal unter uns verdeckten. Die Gipfel und Klippen des Ber-
gkamms schwammen auf diesem Meer aus Watte. Wenn man zurücksah, sah man ein Band
von Seen, die, eingebettet in den Fels, wie grüne Smaragde schimmerten.
Wir stiegen zu einer abgelegenen Hazienda, La Esperanza, ab, um dort die Nacht zu ver-
bringen. Am nächsten Morgen fuhren wir auf dem El Lechero - einem Milchlaster, der
Milch von den Bauernhöfen abholte - zurück nach Güicán. Bei jedem Stopp warteten
schon die Bauersfrauen und ihre Töchter mit ihren Plastikkanistern. Der junge Fahrer
sprang heraus und schüttete die Milch in Blechtrommeln auf der Ladefläche, wobei er sich
mal mehr oder mal weniger Zeit nahm, je nach dem, wie hübsch die Mädchen waren. Der
leichte Duft der Milch erinnerte mich an meine Kindheit. Wir hockten auf den Milchfässern
und versuchten, der Milch auszuweichen, die über den Boden schwappte. El Lechero trans-
portierte nicht nur Milch, sondern auch alles andere: Briefe, Pakete, Eier, Hühner, Pas-
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