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gesagt, ‚du bist verrückt. Dort gibt es doch nichts. Nur ein paar Bauern.' Aber jetzt … Sie
kommen her, um mich zu besuchen, und wollen dann nicht mehr zurück nach Cali.“ San
Agustín war eben so: Man kam für ein paar Tage und blieb ein paar Wochen. Die Stadt war
ein populärer Anlaufpunkt für Rucksacktouristen. Stefano selbst verdiente ein ansehnliches
Einkommen, indem er Touristen zu Pferd zu den Statuen führte. Er genoss seine Arbeit. So
konnte er Pferde reiten. Er konnte Gringas kennen lernen. Er war glücklich.
Wir versprachen Stefano, unsere Pferde bei ihm zu mieten, aber sein Hotel war
eingezwängt zwischen einem Markt und einem Nachtclub. Stattdessen wohnten wir im
Posada Campesino. Es war auch als das „Hogar Donaldo“ bekannt, was übersetzt ungefähr
soviel heißt wie „das Donald Duck Heim für gestörte Kinder“. Das Donald Duck Heim für
gestörte Kinder war ein keiner, familiengeführter Bauernhof, zwanzig Minuten zu Fuß von
der Stadt, erreichbar über eine rote Staubstraße, die von anderen Bauernhäusern gesäumt
war. Um die Vordertür hingen Blumen.
„Wenn ihr eure Mutter vermisst, seid ihr hier richtig“, sagte Susie, eine junge kanadische
Frau, die gerade an einem Tisch im Hof saß, als wir hereinkamen. Das Haus öffnete sich
nach hinten in einen von drei Seiten umschlossenen Hof. Katzen, Hunde, Hühner und Sch-
weine schnüffelten auf der Suche nach Nahrung im Boden herum. Die Schlafzimmer hatten
hohe, altmodische Betten und schwere geblümte Vorhänge. Die Besitzerin war eine mat-
ronenhafte, energetische Dame namens Doña Silviana, die hausgemachte Mahlzeiten ser-
vierte und in einem holzgefeuerten Ofen im Hof Pizza buk. Wenn wir wandern gingen,
machte Doña Silviana ein großes Aufhebens darum: Sie gab uns belegte Brote, nahm uns
das Versprechen ab, uns nicht zu verlaufen und kontrollierte, dass wir warm eingepackt
waren. Susie hatte Recht gehabt. Es war genau wie ein Besuch bei Muttern. Die Pension
hieß Hogar Donaldo, weil Doña Silviana 32 , die sich nicht damit zufriedengeben konnte,
einen Bauernhof und eine Pension zu betreiben, tagsüber auch Kinder aus - wie sie es nan-
nte - „Problemfamilien“ aufnahm.
---32
Im Spanischen sind die Titel Doña und Don keine Vornamen, sondern Respektsbezeugungen.
Jeden Morgen tauchten ein Dutzend Kinder auf, setzten sich ängstlich hin und brachen in
Tränen aus, als ihre Mütter gingen. Bis zum Nachmittag waren sie dann soweit, dass sie
durch den Hof rasten und Hühner und sich gegenseitig jagten. Dann brachen sie wieder in
Tränen aus, als ihre Mütter kamen, um sie wieder mitzunehmen. Eines Nachmittags ver-
ursachte Melissa eine kleine Sensation in der Billard-Halle - und zwar nicht nur durch ihre
Anwesenheit, sondern indem sie tatsächlich die Kugeln versenkte. Irgendwann wurde ihr
die Größe des Publikums zu viel. „Ich kann nicht richtig spielen, wenn mir 50 Kerle dabei
zusehen“, meckerte sie.
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