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Als wir die Grenze passierten, wendeten wir uns gegenseitig den Rücken zu, um unsere
Gegner rechtzeitig sehen zu können.
Nichts geschah. Wir sahen uns an und hielten die Luft an. Dann nahmen wir einen Bus
nach Ipiales, der ersten kolumbianischen Stadt, und suchten ein Hotel. Wir checkten ein
und gingen dann zum Essen in die Stadt. Es geschah immer noch nichts. Wir gingen zu
Bett und wachten mit unserer normalen Ausstattung an inneren Organen wieder auf. Am
nächsten Tag besuchten wir Las Lajas, eine Neugotische Kirche, die mitten in einer dram-
atischen Schlucht stand. Sie war auf allen örtlichen Touristen-Postern präsent und zweifel-
los Schauplatz eines Wunders gewesen. Trotzdem passierte nichts. Niemand schoss auf
uns, bedrohte uns, hielt uns auf oder versuchte, uns Zigaretten anzubieten - mit oder ohne
Betäubungsmittel.
Trotzdem - Kolumbien war anders.
In Ecuador, Peru und Bolivien bildet das Hochland eine Einheit: Das Inka-Reich, das alle
diese Länder umfasst hatte, hatte die ungefähren Grenzen der indianischen Welt im Hoch-
land der Anden festgelegt. Überall in dieser vorwiegend von den Quechua dominierten Re-
gion besteht eine Kontinuität - der Menschen, der Landschaft und der Kultur.
In Kolumbien verändert sich die Landschaft. Die Anden bilden immer noch extreme
Hindernisse für Reisende, aber hier sind sie sanfter: Abgerundete, fruchtbare Berge anstelle
der schneebedeckten Gipfel. Überall sind Blumen - sie hängen in Körben von Balkonen
und stehen neben jedem Zaun. Die Bauernhäuser, an denen wir vorbeikamen, wirkten eher
spanisch, mit roten Ziegeldächern und weißgetünchten Wänden.
Anstelle der Campesinas mit ihren Pasteten-Hüten und schweren Röcken sahen wir mehr
Latino-Gesichter. Die Mädchen waren schlanker und hübscher (und wurden noch schlanker
und hübscher, je weiter wir nach Norden reisten); sie hatten lange, schwarze Wimpern und
fließendes schwarzes Haar. Wir hatten, endlich, das Gefühl, in Latein amerika zu sein.
Dieser Unterschied hat einen historischen Grund. In den ehemaligen Inka-Gebieten hatte
es nur eine Handvoll Europäer gegeben, die gewaltige Encomiendas oder lukrative Minen
besaßen, aber es hatte nie eine nennenswerte europäische Immigration gegeben. Das
gemäßigte Klima Kolumbiens, das fruchtbare Land und die einfache Überfahrt von Europa
zog mehr Siedler an, die das Land bebauten, Einheimische heirateten und die heutige
vorwiegend aus Mestizos bestehende Gesellschaft hervorbrachten. Kolumbien schien
zugleich reicher und westlicher. In Ipiales kleideten sich die Menschen schicker. Es gab
mehr Autos, die zu- dem in einem besseren Zustand waren. Es gab Büroblocks mit getönten
Scheiben und hochwertigere Produkte in den Läden. Ohne die traditionell gekleideten
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