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Im Zeitraffer. In Zeitlupe. In jeder Blume eine weitere Blume. Blumen in Blumen in Blu-
men.
Eine Bewegung um mich her. Ging jemand draußen vorbei? Nah? Weit entfernt? Oder bil-
dete ich mir das nur ein? Vielleicht sogar ein Tier? Immerhin war dort draußen ein Dschun-
gel. Merkwürdig, wie die improvisierte Unterkunft nun so sicher und beschützend erschien:
Ihre dünne Wand aus Ästen definierte eine Grenze zwischen dem Vertrauten und Sicheren
und einer unbekannten Welt dahinter. Ich lag ausgestreckt bäuchlings mit der Wange auf
der Matte aus riesigen Blättern. Sie fühlten sich auf der Haut glatt an, fast wie Plastik -
immer noch saftig und grün. Delfin sah auf mich herab und fragte, ob es mir gut ginge.
Ich antwortete mit einem gemurmelten „ja“. Echtere, wenn auch flüchtige, Halluzination-
en. Eine Szene tauchte jedes Mal aus den wirbelnden Mustern auf, sobald ich meine Augen
schloss.
Ein Gesicht. Das mich anstarrt. Das lederne Gesicht eines alten Indianers, ganz nah, wie auf
diesen Schwarzweiß-Fotos von Sitting Bull und anderen. Die romantisch verklärte Vorstel-
lung des weißen Mannes. Traurig, teilnahmslos, weise. Dann sah ich in die Ferne, weit in
die Ferne. Eine weiter entfernte Figur - war es derselbe Mann? Er stieg eine lange Treppe
hinauf, die in eine Klippe gehauen worden war. Die Treppe führte aus dem leuchtenden
smaragdgrünen Wald, aber ich konnte nicht sehen, wohin. In Richtung Himmel. Die Gestalt
auf den Stufen sah aus der Ferne zurück. Wartete sie darauf, dass ich ihr folgte?
Ich öffnete die Augen. Ich konzentrierte mich so gut es ging auf die sich drehende Welt um
mich her. Als ich die Augen wieder schloss, verschmolzen die Muster in dieselbe Vision.
In meinem Bauch spürte ich, wie sich ein Knoten der Spannung bildete. Etwas Bewusstes
(mein Ich?) versuchte, die Kontrolle wiederzuerlangen, indem es Warnungen rief. Sollte
ich die Treppen emporsteigen? Würde die Vision etwas Wunderbares, Transzendentales,
Schreckliches offenbaren?
Das Ich schrie: „Nicht loslassen!“ Ich riss wieder meine Augen auf. Einen Moment lang
versuchte ich, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Auf Herbert und Mark, die
mir gegenüber in der anderen Laube lagen. Ich schloss meine Augen. Das Bild des Indi-
aners war verschwunden und zufälligeren Mustern gewichen, die ich vorher gesehen hatte.
Irgendwo in meinem Geist hatte ich entschieden. Ich war nicht bereit, dem Indianer auf
den Treppen zu folgen und mich ganz dem Trip hinzugeben. Der Knoten der Spannung
löste sich. Ich fühlte mich sicher und erleichtert. Und trotzdem gleichzeitig auch enttäuscht.
Hatte mir die Indianergestalt bedeutet, ihr auf eine höhere Ebene zu folgen? Weiter. Weiter
in den Trip. Weiter aus der sicheren, normalen Welt. Vielleicht an einen Ort, von dem es
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