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sette auf meinem Mini-Radiorecorder und schaltete mein Handy ein. Ich hatte ver-
sprochen, eine Stunde am Tag erreichbar zu sein.
Vor mir auf dem Deich fuhren Radler vorbei. Ein Bernhardiner zog eine Frau im
gelben Ostfriesennerz hinter sich her. Über dem See stritten sich ein paar Möwen.
Zwei Jungs tasteten sich durch knisterndes, raschelndes Schilf ans Ufer. Sie tru-
gen Angelruten in den Händen.
Mein Handy blieb stumm. Es war 21.30 Uhr. Ich schaltete es aus und ging
zurück zum Zelt. Rechtschaffen müde kroch ich in den Schlafsack. Nebenan
schnarchte jemand. Etwas weiter weg wurde leise geflüstert. Ein Mädchen kich-
erte. Ein leichter Wind kam auf, bog die Zeltwand nach innen.
Was hatte die Serviererin vom Imbiss gesagt, als sie nachsah, ob ich noch et-
was trinken wolle, nachdem die beiden anderen Typen die dort gegessen hatten,
abgezogen waren: »Der schöne Mann ist noch da.« Da nur noch ich da war,
musste ich wohl auch gemeint sein. Morgen beim Rasieren würde ich nachsehen,
wie sie darauf gekommen war. Hübsche, schlanke Beine unter einem kurzen Rock
hatte sie gezeigt, als sie ging. Mit diesem angenehmen Bild vor Augen fiel ich in
einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Plötzlich grelles Licht. Um mich herum war es taghell. Dann wieder stockfinster.
Ein schmerzhaft berstendes Krachen. Sturm rüttelte am Zelt. Regen prasselte
herab. Donner und Blitz tobten über mir. Ich versuchte auszumachen, ob ir-
gendwelche Gegenstände die Zeltwand berührten. Ich wollte vermeiden, dass es
hereinregnete. Die Stirnlampe musste her. Ich wühlte in der Lenkradtasche, fand
nur eine Handvoll loser Teile. Das chinesische Modell hatte sich selbst zerlegt. In
einem früheren Leben musste ich ein Chinese gewesen sein. Es gelang mir tat-
sächlich das Ding im Dunklen, nur mit Fingerspitzengefühl, zusammenzubauen.
Sein Licht blendete im ersten Moment fast so heftig wie der Blitz. Der Wind
wehte von rechts. Ich schob mein Gepäck etwas mehr in die Mitte. Auf meinem
Schlafsack unter der Zeltspitze glänzte Feuchtigkeit. Ich legte meine Regenjacke
darüber. Der Wind hatte den Regen durchs Moskitonetz getrieben. Die Abdeckung
darüber war für dieses Wetter etwas zu sparsam geraten.
So, mehr konnte ich jetzt nicht tun. Ich legte mich zurück, lauschte dem Grollen
des weiter ziehenden Gewitters, dazu dem verebbenden Geräusch, das meine
Zeltnachbarn verursachten, und schlief wieder ein.
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