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enisch. Trotzdem bekam ich heraus, dass er von einem anderen Ort hierher gezo-
gen war, weil er sich von den 20 000 Studenten in Marburg einen gewaltigen Um-
satz erhoffte. Leider war ich heute sein erster Kunde und würde wohl auch der ein-
zige bleiben, wenn sich das Wetter nicht änderte. Er war sehr enttäuscht, als er er-
fahren musste, dass ich ein Tourist war und nicht zum Stammgast werden würde.
Ich wünschte ihm zum Abschied Glück für seine Neugründung und er zog sich zu
seiner Corriäre de la Roma und einem Espresso zurück.
Das Universitätsmuseum für bildende Kunst zeigte eine prächtige Fassade und
eine bescheidene Sammlung berühmter Meister. Ein Picasso, ein Klee und ein
Kandinsky hingen bei meinem Besuch ganz vorne an der Wand. Doch was sonst
zu sehen war, gefiel mir gut. Es waren fast nur regionale Künstler vertreten. Ein
gutes Vorbild dachte ich, der ich aus einer Stadt kam, wo Steuergelder verwendet
wurden, um Werke von fremdländischen Künstlern einzukaufen und der privat be-
triebenen Kunsthalle zu spenden. Für einheimische Kunst blieb da nichts übrig.
In der Eingangshalle sah ich mich am Ende meines Rundganges den Bayern
vom Campingplatz gegenüber.
»Machen wir heut` auf Kultur?«, gab ich mich leutselig.
»Jawoll!« Es klang wie aus einem Mund.
»Was soll man auch sonst machen? Bei diesem Wetter.«
»Genau!«
Wir waren uns einig.
»Servus«, riefen wir uns dann zu, um uns auf eine dem Anspruch einer
Bildungsstätte angemessene Weise in altbayrischem Latein zu verabschieden und
sie marschierten geschlossen zu den Bildern.
Das Wetter hatte sich beruhigt. Mein Zelt stand noch an seinem Platz. Ich legte
eine Ruhepause ein, bevor ich Abendbrot aß und mich noch einmal auf die Sock-
en machte, um in der Altstadt ein Weizen zu trinken. Auf dem Weg dorthin klingelte
mein Handy. Heiko wollte wissen, wie es mir gehe und was ich gerade tun würde.
Ich sagte es ihm. Und weil er nicht auflegen wollte, mimte ich den Rasenden Re-
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