Biomedical Engineering Reference
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dann kann man alle Männer des Ortes auffordern, freiwillig eine Speichelprobe
abzuliefern. Die allermeisten Männer werden dem folgen. Falls der Täter nicht
unter den Freiwilligen ist, sind die übrigen Männer verdächtig. Die Polizei kon-
zentriert ihre weitere Arbeit dann auf den kleinen Kreis der verbleibenden
Männer, einschließlich ihrer genetischen Charakterisierung. Es ist viele Male
gelungen, auf diesem Weg Täter zweifelsfrei zu überführen.
Auch in der Abstammungsdiagnostik macht man sich die Variabilität im
Genom zunutze. Wir haben jeweils 50 % unserer genetischen Information von
einem Elternteil erhalten. Wenn ein Kind z. B. genetische Varianten trägt, die
bei seinem vermeintlichen Vater nicht vorkommen, dann ist dieser als biologi-
scher Vater ausgeschlossen. Noch wichtiger ist, dass auch positive Aussagen
möglich sind. Je mehr Genvarianten, die in der Bevölkerung selten, bei Kind und
vermutlichem Vater jedoch gemeinsam vorkommen, desto wahrscheinlicher ist
es, dass der Mann der tatsächliche Vater ist. Meist lassen sich Wahrscheinlich-
keitswerte von über 99,9 % erreichen.
Und noch etwas ist durch die moderne Genetik möglich geworden: Man
kann die Eroberung der Welt durch den modernen Menschen nachzeichnen.
Aus Skelettfunden war schon länger bekannt, dass sich der moderne Mensch
innerhalb von wenigen Jahrmillionen in Afrika südlich der Sahara aus tierischen
Vorfahren entwickelt hat. Vor 50.000-60.000 Jahren machten sich kleine Grup-
pen des modernen Menschen von Ostafrika durch das Niltal an der Sahara vor-
bei nach Norden auf. Rechnet man eine Generationszeit von 25 Jahren, dann
liegt diese Entwicklung „nur“ 2.000 Generationen zurück. Innerhalb weniger
tausend Jahre besiedelten die afrikanischen Auswanderer schrittweise die gan-
ze Welt. Durch den Grad der genetischen Ähnlichkeit der heutigen Bewohner
war es möglich, die Wanderwege des modernen Menschen nachzuvollziehen
(Abb. 5).
Man findet auch heute noch unter den Afrikanern, die südlich der Sahara
leben, eine sehr viel größere genetische Variabilität als unter den übrigen Men-
schen. Genetisch betrachtet, ist der ausgewanderte moderne Mensch eben nur
eine Stichprobe aus den Afrikanern, denn es waren wahrscheinlich nur wenige
tausend Menschen, die Afrika verließen. Von ihnen stammen alle heutigen
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