Biomedical Engineering Reference
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gilt gemeinhin als unproblematisch - wenn sie überhaupt also solche wahrge-
nommen wird. Selbst die technische Umgestaltung der menschlichen Natur gilt
als akzeptabel, sofern sie medizinischen Zwecken dient. In-vitro-Befruchtung
oder Organtransplantation sind zweifelsfrei „unnatürlich“. Auch die Pflanzen-
züchtung hat schon vor der Entdeckung der Gentechnik Kulturpflanzen in die
Welt gesetzt, die sich im Zuge natürlicher Evolution entweder gar nicht oder
zumindest nicht so schnell hätten entwickeln können. Es ist schwer zu sehen,
inwiefern die Gentechnik dieser schon vorhandenen und akzeptierten „Unna-
türlichkeit“ etwas hinzufügt; es sei denn, man sieht die entscheidende Differenz
darin, dass die Integrität des Pflanzengenoms durch die Übertragung eines art-
fremden Gens verletzt wird - eine (auch politisch) fragwürdige Forderung nach
genetischer Reinheit.
Tatsächlich spielt das Argument der Natürlichkeit in der Auseinanderset-
zung über die Gentechnik eine allenfalls marginale Rolle. Zentral ist die Einstu-
fung als Risikotechnologie. Aus keiner Sicherheitsforschung und auch nicht aus
dem inzwischen jahrzehntelangen Einsatz im außereuropäischen Ausland haben
sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gentechnisch veränderte Pflanzen
(GVPs) besondere Risiken für die Umwelt oder die Verbraucher bergen. Der Ri-
sikowahrnehmung, die in der öffentlichen Kritik mit massenmedialer Resonanz
propagiert wird, entspricht kein erkennbares wirkliches Risiko. GVPs sind nicht
notwendigerweise risikolos. Aber sie sind nicht riskanter als konventionell ge-
züchtete Pflanzen, und sie werden bei der Zulassung besser kontrolliert als die-
se. Was bleibt, ist die Ungewissheit darüber, ob es verborgene Risiken gibt, die
man gegenwärtig weder erkennen noch prüfen kann und die sich vielleicht erst
nach vielen Jahrzehnten herausstellen würden. In der Öffentlichkeit kann man
unter Berufung auf solche Ungewissheit ein vorsorgliches Verbot von GVPs ein-
klagen und ihre Zulassung als unverantwortlich anprangern. Bei einer Risikoprü-
fung bekommt man mit einer solchen Position aber Probleme, weil man ein-
räumen muss, dass vergleichbare Ungewissheit auch entsteht, wenn man bisher
nicht angebaute konventionell gezüchtete Kulturpflanzen in Agrarökosysteme
einführt - was niemand nach dem Vorsorgeprinzip verbieten möchte. Solche
Ungleichbehandlung kann politisch gewollt sein; das Verdikt der Verantwor-
tungslosigkeit aber läuft irgendwie ins Leere.
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