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Vom Seat 600
zur Generation Golf
Das waren noch Zeiten, damals, in den 1960er Jahren, als
in Spanien die Straßen noch leer waren. Unter den wenigen
Autos, die schon vor über vierzig Jahren fuhren, war eines
besonders beliebt: der Seat 600.
Der kleine Wagen war eine Art nationales Heiligtum, ver-
gleichbar mit unserem VW Käfer. 1950 wurde die Sociedad
Española de Automóviles de Turismo (SEAT) gegründet. Sie-
ben Jahre später rollte der erste „600er“ vom Band, massiv
gefördert vom Franco-Regime, das damals in Europa ziem-
lich isoliert war und versuchte, wirtschaftlich autark zu le-
ben - oder besser, zu überleben. Und dazu zählte eben
auch eine heimische Autoproduktion.
Klein war er, relativ flink und wendig. Wer einen „600er“
besaß, war schon etwas. Man lud Freunde ein, quetschte
sich zu fünft in die enge Kiste und brauste los. Hauptsäch-
lich taten dies die Großstädter in Madrid, Barcelona und Se-
villa. Es dauerte, bis der Boom auch die Provinz erreichte.
Ganz Wagemutige überwanden mit ihrem kleinen Gefährt
sogar die Pyrenäen und schrieben begeistert Postkarten
nach Hause. Die meisten blieben jedoch im Lande. „¡Ade-
lante, hombre del 600, la carretera nacional es tuya!“ (Vor-
wärts, Fahrer des 600, die Nationalstraße ist dein!), so feu-
erte ein bekannter Schlager die Fahrer an.
Aber irgendwann kam der Umbruch. Die Importzölle auf
ausländische Wagen wurden gesenkt, die Neugierde auf
andere Autos stieg. Touristen kamen mit größeren, besse-
ren, anderen Wagen und weckten Interesse, Neid und
Wünsche. 1985 trat Spanien der damaligen EG bei. Dem
Land ging es in den folgenden Jahren spürbar besser. Seat
wurde derweil von VW übernommen und stellte neue, mo-
derne Modelle her. Der gute alte „600er“ hatte bald ausge-
dient.
Heute wird er noch von wenigen Liebhabern gehegt und
gepflegt, aus dem Straßenbild ist er indes verschwunden.
Saßen in den 1960er Jahren noch fünf junge Menschen
stolz in ihrem „600er“ und freuten sich, überhaupt einen
fahrbaren Untersatz zu haben, gilt der Autobesitz heutzu-
tage fast als selbstverständlich. Jugendliche Spanier kurven
heute mit ihrem Golf herum und verstopfen die Straßen -
genauso wie überall in Europa. In diesem Sinne hat Spanien
eindeutig aufgeholt. Das Auto gehört für die Generation
Golf einfach zum Leben dazu.
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