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und verbot die zwei größten Parteien des Landes. Zuletzt setzte es sich für ein Verbot der
islamistischen „Wohlfahrtspartei“ (1998) und deren Auffangbecken, die „Tugendpartei“
(2001) ein. Auch die gerade regierende AKP stand schon unter scharfer Beobachtung des
Militärs, denn die AKP will eine „muslimische Türkei“. Was das aber genau sein soll, ist
so unklar und umstritten wie die christlichen Werte, die die christlichen Parteien in der
EU-Verfassung verankern wollen. 2008 sollte die AKP von der politischen Bühne gestoßen
werden. Die Mehrheit der Verfassungsrichter stimmte für ein Verbot, doch die in diesem
Fall vorgeschriebene Mehrheit von sieben der elf Stimmen wurde um eine verfehlt.
Exil Türkei
Während der Nazidiktatur suchten viele Juden in der Türkei Zuflucht, darunter Hun-
derte von Wissenschaftlern, die in Deutschland mit Arbeitsverboten belegt worden
waren. Atatürk, der das Land nach westlichen Maßstäben reformieren wollte, waren
sie willkommen. Unter den emigrierten Professoren befanden sich u. a. der Jurist
Ernst Hirsch, der das türkische Handelsgesetzbuch und Urheberrecht verfasste (später
Rektor der Freien Universität Berlin), der Soziologe Gerhard Kessler, der die erste
Gewerkschaft des Landes ins Leben rief, Hans Wildbrandt, der das türkische Genos-
senschaftswesen aufbaute, Eduard Zuckmayer, der die Musikakademie von Ankara
begründete, Carl Ebert, auf den die erste türkische Schauspiel- und Opernschule
zurückgeht, der Mediziner Albert Eckstein, der sich um die Kinderkrankenpflege
in der Türkei verdient machte, und und und … An den Universitäten des Landes
lehrten der Politiker und Städteplaner Ernst Reuter (späterer Bürgermeister von Ber-
lin), der Ökonom Wilhelm Röpke, der Historiker Ernst Engelberg, der Islamkundler
Karl Süßheim, der Bildhauer Rudolf Belling, der Komponist Paul Hindemith, der Ar-
chitekt Clemens Holzmeister und viele, viele mehr. Die türkischen Behörden stem-
pelten das aus dem Deutschen entlehnte Wort „Haymatloz“ in ihre Pässe. Heute ist im
Gespräch, in İstanbul ein kleines Forschungszentrum einzurichten, das die deutsche
Emigration in die Türkei zum Schwerpunkt haben soll. Ein passender Ort wäre das
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