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Manuelinischer Stil
Im 17. Jahrhundert traten jene Farbkombi-
nationen ihren Siegeszug an, die heute als
„klassisch“ empfunden werden: Blau und
Weiß, entweder als geometrisches oder flora-
les Element, wie in der Kirche São Pedro, oder
als großes Kachelbild, das Szenen der Heili-
gengeschichte, der Entdeckungsfahrten oder
(später) des Alltags auf der Insel abbildet.
Deutlich sind darin die Einflüsse der Delfter
Porzellanmanufaktur zu erkennen, deren Ge-
schirr in jener Zeit in Mode kam.
Die meisten Kachelbilder dieses Stils, die
man heute auf Madeira sieht, stammen aller-
dings aus der Zeit der Wende des 19. zum
20. Jahrhundert, als die azulejos nach einer
Zeit des Vergessens ein Revival erlebten.
Auch moderne Kachelbilder sind allerorts zu
finden, z. B. am Mercado dos Lavradores von
Funchal.
Beherrschend ist der manuelinische Stil
aus den Anfangsjahren der Besiedlung
Madeiras. Herausragendes Merkmal
dieser „portugiesischen Gotik“ ist die
Verschmelzung europäischer Tradition
mit nordafrikanisch-islamischen Bau-
elementen. In Madeira bekommt der
manuelinische Stil durch das dunkle
Baumaterial - Basalt und Tuff - eine ei-
genwillige Note.
Von außen zeigen fast alle Bauten des
15. und 16. Jahrhunderts eine große
Strenge und Schlichtheit, die durch ei-
nige wenige Ornamente aufgelockert
werden. Die weiße, mit dunklem Basalt
abgesetzte Fassade der Kathedrale Sé
z. B. wird nur von einer großen, durch-
brochenen Rosette und dem Wappen
Funchals geschmückt. Ihr Kirchturm ist
quadratisch-wuchtig und mit Zinnen
bewehrt. Darüber erhebt sich die mit
azulejos verkleidete Kirchturmspitze.
Denkt man sich im Inneren die barocke
Ausgestaltung weg, dominiert auch hier
eine sehr zurückhaltende Strenge, die
nur im verspielten Deckenschmuck auf-
gehoben wird: Der aus Madeira-Zedern
geschnitzte und reich mit Gold- und El-
fenbeinintarsien überzogene Baldachin
ist ein Paradebeispiel für den von arabi-
schen Künstlern beeinflussten Mudejar-
Stil.
Entwickelt hat sich diese Kunstrich-
tung im islamischen Andalusien. Mit
den teils zum Christentum konvertierten
muslimischen Handwerkern trat sie ih-
ren Siegeszug auf der Iberischen Halbin-
sel an. So gelangte sie auch nach Madei-
ra. Da islamisches Kunstschaffen durch
das Bildverbot stets auf ornamentale
Motive festgelegt war, finden sich auch
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