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Transportmittel à la Madeira -
vom Ochsenschlitten zur
Magnetschwebebahn
Heute wirken sie außerordentlich malerisch und
folkloristisch, aber noch bis vor 50 Jahren waren
einige der traditionellen Transportmittel in Be-
trieb, die man in Volkskundemuseen wie in Ribei-
ra Brava sehen kann. Da sich das steile und un-
wegsame Madeira kaum für herkömmliche Fahr-
zeuge wie Kutschen eignete, die Menschen aber
trotzdem zu ihren Feldern, auf den Markt oder in
ihre quintas, die Landhäuser, gelangen mussten,
entwickelte man spezielle Transportmittel, die
nicht auf Rädern, sondern auf Kufen liefen.
Das älteste Gefährt war der Ochsenschlitten,
mit dem Bauern ihre Ernte in den Ort bzw. Saat-
gut zu den Feldern beförderten. Während Räder
auf den holperigen, steinigen Wegen häufig
brachen, hatten Kufen den Vorteil der Stabilität
und kamen zumindest bergab ohne Zugtier aus.
Die ersten „Ochsenschlitten“ waren allerdings
kaum mehr als eine vom Vieh gezogene Holz-
planke, mit verzurrten schweren Lasten. Erst
Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte ein eng-
lischer Kaufmann den klassischen carro de bois
mit Kufen, Federn, einem mehr oder weniger
komfortablen Aufsatz und Sitzen, in denen sich
nun die Wohlhabenden die Berge hinauf- und
hinunterziehen ließen. Noch Mitte des 20. Jahr-
hunderts waren Ochsenschlitten ein alltäglicher
Anblick im Stadtbild von Funchal.
Eine Abwandlung der von Ochsen gezogenen
Schlitten sind die carros de cesto, Korbschlitten,
die allerdings nur bergab funktionieren. Sie fah-
ren, ebenfalls seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als
öffentliches Verkehrsmittel von Monte, wo die
Wohlhabenden in kühler Gebirgsluft wohnten,
nach Funchal. Eine Art Korb mit eingebauter
Sitzbank auf einem Schlitten montiert schoben,
lenkten und zogen an flachen Stellen speziell
dafür ausgebildete Männer. Die Korbschlitten
haben als einziges traditionelles Verkehrsmittel
Madeiras den Sprung in die motorisierte Neu-
zeit mitgemacht, sind heute allerdings nur noch
eine Touristenattraktion. Im Gegensatz zu frühe-
ren Zeiten, als die Schlittenlenker die schweren
Gefährte zu Fuß wieder nach Monte befördern
mussten, werden die carros heute von Kleinlas-
tern zum Ausgangspunkt zurückgebracht.
Sänfte (palanquin) und Hängematte (rede)
stammen noch aus der Vor-Schlitten-Zeit und
sind heute nur noch im Museum zu sehen. Die
portadores (Träger) brauchten nicht nur große
Kraft, um Steigungen und Gefälle mit ihren rei-
chen Herrschaften zu bewältigen, sie mussten
auch außerordentlich geschickt sein, damit ihre
Last auf den schmalen Inselpfaden nicht in den
nächsten Abgrund kippte. Die Getragenen müs-
sen sich ihrer Diener sehr sicher gewesen sein,
denn ein unzufriedener portador hätte viele Ge-
legenheiten gehabt, sich seiner unliebsamen
Herrschaft elegant zu entledigen.
Die industrielle Revolution bescherte der
Strecke Funchal - Monte Ende des 19. Jahrhun-
derts eine Zahnradbahn, deren Streckenfüh-
rung heute unbeachtet verrottet. Das mit
Dampfkraft betriebene Gefährt bewältigte die
knapp 1000 Meter Höhenunterschied in etwa
20 Minuten. Doch 1919 explodierte ein Wasser-
kessel. Mehrere Menschen kamen zu Tode, was
die Attraktivität der Bahn radikal reduzierte.
1939 wurde das nicht mehr lukrative Bähnchen
endgültig abgeschaltet.
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