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hen sollte, auch wenn man für Bau-
werke nicht viel übrig hat: die Bern-
hardiner-Kirche und die St.-Anna-Kir-
che gehören zu den vollkommensten
gotischen Baudenkmälern Litauens.
Sie sind Orte der „Europäischen Zie-
gelgotik-Route“ ( www.eurob.org ).
Zuerst passiert man das langgestreck-
te dreistöckige gotische Gebäude des
ehemaligen Bernhardiner-Klosters
(nach dem Zarenaufstand von 1863
wurde es geschlossen, 1919 von pol-
nischen Offizieren genutzt. Heute be-
herbergt es Teile der Kunstakademie).
Die Blüte spätgotischer Baukunst,
einzigartig in der nordosteuropäi-
schen Backsteingotik, markiert die St.-
Anna-Kirche. Ein Schmaus für die Au-
gen, eine Freude für denjenigen, der
Ausgewogenheit und Harmonie be-
wundert. Aufgrund ihrer verspielten
Vielfalt der Linien, der Symmetrien
und geometrischer Muster wirkt die
daneben liegende Bernhardiner-Kir-
che geradezu schlicht und streng.
„Wenn ich nur könnte, würde ich sie
auf meinen Händen nach Paris tra-
gen!“, soll Napoleon beim Anblick der
St.-Anna-Kirche ausgerufen haben. Ih-
re heutige Form hat sie von 1581, der
Vorgängerbau stammt von 1495-
1500. 1394 stand hier schon eine
Holzkirche zu Ehren von Ono, der
Ehefrau von Vytautas dem Großen.
Bei einem Feuer 1812 wurde das In-
nere zerstört, weshalb das Kirchen-
schiff heute recht schlicht ist. Hier
herrscht Barock vor, darunter drei Al-
täre von 1747 unter Aufsicht des be-
rühmten Baumeisters Johann Glau-
bitz. Ein Netzgewölbe ziert das Pres-
byterium. Die kunstvolle Westfassade
ist von einzigartiger Schönheit. Auffal-
lend sind die beiden Seitentürme mit
ihren Spitzen, die Erker mit Ziertürm-
chen, die den Gediminas-Säulen äh-
neln, der große Rundbogen und die
vielen kleinen Bögen sowie die
schmalen hohen Fenster. Wer genau
hinschaut, erkennt die Buchstaben A
und M (für Ave Maria).
In dieser relativ kleinen Kirche sind
alle Errungenschaften der gotischen
Backstein-Baukunst zusammenge-
fasst. 33 verschiedene Formen von
Backsteinen mussten hergestellt wer-
den, um dieses Kunstwerk zu ver-
wirklichen. Viele Kunsthistoriker spre-
chen deshalb von einer „flammenden
Gotik“, und man könnte manchmal
wirklich den Eindruck haben, die Kir-
che stehe in Flammen.
Unbekannt geblieben ist die Iden-
tität des bzw. der Baumeister, um die
sich daher eine Legende rankt, welche
zugleich den Unterschied zwischen
dem glatten, massigen Unterbau und
dem plastisch-verspielten Aufbau er-
klären soll. Sie behauptet, dass ein
Maurermeister namens Vaitiekus den
Bau der Kirche begonnen habe; sein
Geselle Jonas verliebte sich in die
Tochter des Meisters, die schöne An-
na. Und wie es so zu sein pflegt, war
der Geselle ein armer Schlucker, der
zwar der Tochter gefiel, nicht aber
dem Meister, der erst wissen wollte,
wozu Jonas imstande war. Daraufhin
zog er beleidigt in die Ferne. Als er
Jahre später, jetzt als Meister, wieder
nach Vilnius zurückkehrte, da war der
alte Vaitiekus verstorben und hatte
 
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