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Zugeständnis, das sich später bei Hitlers Weg an die Macht als verhängnisvoll erweisen
sollte.
An der Spitze der Weimarer Republik (1919-1933) stand eine Koalition aus Links-
parteien und Zentrum, angeführt von Reichspräsident Friedrich Ebert und ab 1925 von
Paul von Hindenburg, beide SPD, die bis 1932 stärkste deutsche Partei blieb. Die neue
Republik fand aber weder bei den Kommunisten noch bei den Monarchisten Zustim-
mung. Zu erneuten Ausschreitungen kam es schon im März 1920, als rechte Militante
unter Führung von Wolfgang Kapp gewaltsam das Berliner Regierungsviertel beset-
zten. Die Regierung floh nach Dresden, während der Kapp-Putsch in Berlin schon kur-
ze Zeit später durch einen Generalstreik zu Fall gebracht wurde.
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DIE GOLDENEN ZWANZIGER JAHRE
Die Riesenmetropole Berlin von heute entstand erst 1920, als bislang unabhängige
Städte und Gemeinden der Region (Charlottenburg, Schöneberg, Spandau usw.) unter
eine gemeinsame Verwaltung gestellt wurden. Das neue Groß-Berlin mit rund 3,8 Mio.
Einwohnern zählte damit zu den größten Städten der Welt.
Aber abgesehen davon begannen die 1920er-Jahre alles andere als golden. Sie waren
gezeichnet von der Demütigung des verlorenen Kriegs, sozialer und politischer In-
stabilität, galoppierender Inflation, Hunger und Krankheit. Rund 235 000 Berliner war-
en arbeitslos; Streiks, Demonstrationen und Unruhen gehörten zum Alltag. Wirtschaft-
liche Stabilität kehrte erst langsam wieder ein, als 1923 mit der Rentenmark eine neue
Währung eingeführt und ein Jahr später der Dawes-Plan verabschiedet wurde, der die
erdrückenden deutschen Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg linderte.
Die Berliner reagierten darauf, als gäbe es kein Morgen. Die Stadt wurde zum In-
begriff der Dekadenz und der übersprudelnden Kreativität (fast wie heute). Varietés,
Dada und Jazz bestimmten die Nacht. Vergnügungslokale schossen aus dem Boden
und machten die Stadt zur „Sextropolis“ orgiastischen Ausmaßes. Mit all der überbor-
denden Energie wurde sie zu einem Versuchslabor für alles Neue und Moderne, vor
allem in den Bereichen Architektur (Bruno Taut, Martin Wagner, Hans Scharoun und
Walter Gropius), Kunst (George Grosz, Max Beckmann und Lovis Corinth) und Lit-
eratur (Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky und Christopher Isherwood, der die Vorlage zu
„Cabaret“ lieferte).
Der Spaß nahm ein jähes Ende, als 1929 in den USA der Aktienmarkt zusammen-
brach und die ganze Welt in eine Wirtschaftskrise trudelte. Innerhalb weniger Wochen
wurden eine halbe Million Berliner arbeitslos. Unruhen und Demonstrationen be-
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