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Mit anderen Worten, die Gentrifizierung hat Berlin voll erfasst. Sie hat der Stadt
zwar sauberere Straßen, schönere Wohnungen und diverse schicke Bars und Restaur-
ants beschert, aber viele Berliner mögen sie ganz und gar nicht.
Besonders Kreuzberg mit seiner Punk- und Hausbesetzervergangenheit befürchtet,
seine Kiezidentität zu verlieren und den Weg von Prenzlauer Berg und Mitte zu gehen -
von szenig-alternativen Vierteln zu betuchten, bürgerlichen Monokulturen. Die Mieten
sind tatsächlich in den vergangenen Jahren überall gestiegen und nirgends schneller
als in Kreuzberg. Allein 2011 nahmen die Mietpreise in dem Stadtteil um 11,1 % zu.
Das angrenzende nördliche Neukölln, das sich in wenigen Jahren vom Quasi-Getto zur
Hipster-Oase entwickelt hat, erfuhr ein ähnliches Schicksal (8,2 % Mieterhöhung im
Jahr 2011).
Viele alteingesessene Mieter, insbesondere Einkommensschwache und Arbeitslose,
müssen wegziehen. In ihrem Frust geben sie wohlhabenden Ausländern und Zuzüglern
aus Westdeutschland die Schuld, da diese sich die höheren Mieten leisten können und
sie auch bezahlen. Auch Touristen werden beschuldigt, sei es, weil sie zu laut sind,
sie in inoffiziellen Ferienwohnungen nächtigen oder weil sie in großen Gruppen in
die heimischen Clubs und Kneipen einfallen. Wachstumskontrolle und Mietregulier-
ung gehören zu den dringlichen Herausforderungen, denen sich die Regierung in den
kommenden Jahren stellen muss.
Das Flughafendilemma
Die verspätete Eröffnung des neuen Flughafens Berlin Brandenburg, an dem seit 2006
am Südostrand der Stadt gewerkelt wird, hat sich zu einem Schandfleck für das Image
der Stadt entwickelt. Ursprünglich sollte er im November 2011 eröffnet werden, dann
im Juni 2012. Doch nur wenige Wochen, bevor die ersten Flieger abheben sollten,
verkündete der Aufsichtsrat wegen Fehlern in den Brandschutzanlagen eine neunmon-
atige Verzögerung. Sicherheitsbedenken führten zu einer weiteren Verschiebung auf
Oktober 2013, die im Januar desselben Jahres wiederum abgesagt wurde. Bei Druckle-
gung dieses Buches war noch kein neuer Eröffnungstermin bekannt.
Das Hickhack ist für die Politik höchst peinlich und eine schwere Belastung für
die öffentlichen Finanzen. Die Verzögerungen führten bislang zu einer geschätzten
Kostenüberschreitung von 60 % und erhöhten die Gesamtkosten auf 4,5 Mrd. €. Die
Verschiebung der Eröffnung kostet zudem 100 Mio. € pro Monat. Sogleich wurde öf-
fentlich nach Sündenböcken gesucht. Der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit und
der Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck, die wie der Staatssekretär
im Bundesverkehrsministerium Rainer Bomba im Aufsichtsrat des Flughafens sitzen,
haben Flughafenfunktionäre für die Pleite verantwortlich gemacht, die wiederum
zusammen mit den Fluggesellschaften und Einzelhändlern den Ball zurück an die
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