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die plötzlichen Stopps und Verbiegun-
gen, abmilderte , mit denen die Frau-
en bis dahin über die Tanzfläche ge-
zerrt wurden.
Zur gleichen Zeit machte der Tan-
go auf der anderen Seite des Ozeans
Furore: In der Oberschicht von Paris
wurde er von heute auf morgen zum
aktuellen Modetanz und breitete sich
von hier blitzgeschwind aus. Nach
dem Ersten Weltkrieg war er aus Ber-
lins gigantischen Tanzpalästen nicht
mehr wegzudenken und selbst im
entfernten Tokio fasste der Tango in
den 1920er-Jahren Fuß. Dieser Erfolg
im Ausland gab dem Tango in seiner
argentinischen Heimat zusätzlichen
Auftrieb und er schaffte endgültig
den Sprung vom armen Hafenviertel
in die mondänen Cafés und Cabarets
des Zentrums.
In dieser Zeit tauchte ein Mann auf,
der zum Inbegriff des Tangos werden
sollte und bis heute wie ein Heiliger
verehrt wird: Carlos Gardel (s. S. 111).
Als er 1917 das poetisch-melancholi-
sche „Mi noche triste“ („Meine trau-
rige Nacht“) sang, wurde neben Mu-
sik und Tanz die Tangopoesie zur
künstlerischen Ausdrucksform. Der
Tango eroberte Theaterbühnen und
selbst in Kinos begleiteten Tangosex-
tette die Stummfilme. Dazu kamen
eine sich rasend schnell entwickeln-
de Plattenindustrie, das aufkommen-
de Radio und der Tangoboom in Euro-
pa. Die Musik war an jeder Ecke der
Stadt präsent. Eine neue Generation
von Musikern wollte jetzt nichts mehr
dem Zufall überlassen: Statt die Tan-
gos improvisiert zu interpretieren, be-
gannen sie in den 1930er-Jahren,
mit punktgenauen Arrangements zu
arbeiten.
Damit wurde das „goldene Zeital-
ter“ des Tangos eingeläutet. Ende der
1930er- und in den 1940er-Jahren
Weltmeister
im Tangotanzen
Welches ist das weltbeste Tango-
tanzpaar? Diese Frage ist höchst
umstritten! Ganze Foren widmen
sich in erbitterten Schreibschlach-
ten der Frage, ob ein nicht standar-
disierter Tanz überhaupt bewert-
bar sei, ob man einem Gefühl eine
Note geben könne. Nichtsdestotrotz
richtet die Stadt Buenos Aires seit
2003 jährlich im August die Welt-
meisterschaft im Tangotanzen
aus, den Campeonato Mundial
de Baile de Tango. Hunderte von
Tanzpaaren aus aller Welt neh-
men in den Kategorien Tango Sa-
lón und Tango Escenario teil und
seit einigen Jahren sind unter den
Gewinnern nicht mehr nur Argen-
tinier zu finden.
µ www.tangobuenosaires.gov.ar
erlebte Argentinien als Lieferant von
Fleisch und Getreide in das kriegsge-
schüttelte Europa einen neuen wirt-
schaftlichen Aufschwung: Die Men-
schen hatten genug Geld, um auszu-
gehen und in riesigen Tanzsälen und
Sporthallen wie dem Luna Park amü-
sierten sich Tausende. Die Damen-
welt lauschte verzückt den Sängern,
und man tanzte, solange die Beine
mitmachten. In dieser Zeit von Glanz
und Gloria gab es, wie Michel Plis-
son in seinem Buch „Tango“ schreibt,
über 600 Tango-Orchester in Buenos
Aires. Um für die riesigen Säle laut
genug spielen zu können, wurde das
Sextett zum orquesta típica erweitert,
mit vier Bandoneons, vier Geigen,
Bass und Klavier.
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