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Geliebter Gardel
In jedem Zeitungskiosk lacht sein Ge-
sicht dutzendfach von Postkarten und
Postern: Carlos Gardel ist die Ikone
der Porteños. Er verkörpert wie kein
anderer den argentinischen Traum
- vom Einwanderer zum Weltstar.
Eine Spitzenleistung wird deshalb mit
einem bewundernden „Sos Gardel!“
(„Du bist Gardel!“) gelobt.
Carlos Gardel wird - wahrschein-
lich - als Charles Romuald Gardés am
11. Dezember 1890 in Toulouse gebo-
ren, doch weder Datum noch Ort sind
sicher. Sein Vater ist unbekannt, seine
Mutter Berthe wandert mit dem Zwei-
jährigen nach Buenos Aires aus und
schlägt sich im Abasto-Viertel als Wä-
scherin durch. Sobald Charles groß
genug ist, hilft er beim Geldverdienen.
Beim Kulissenschieben wird sein Ge-
sangstalent bemerkt.
Mit 17 Jahren beginnt er, in den
Kneipen seines Viertels aufzutreten.
Die Leute nennen ihn El Morocho del
Abasto und sie lieben ihn. Sie lieben
seine Stimme, die so sinnlich ist und
so ausdrucksstark. El Zorzal Criollo
(„Die kreolische Drossel“) wird sein
zweiter Kosename.
Nur zehn Jahre später, im Jahr
1917, schreibt Carlos Gardel, wie er
sich jetzt nennt, Tangogeschichte. Er
schafft mit dem Tangolied „Mi noche
triste“ („Meine traurige Nacht“) ein
neues Genre: die Tangopoesie. 1925
ist Gardel als Tangosänger in ganz La-
teinamerika bekannt, 1928 erobert er
Paris, danach New York. Die Herzen
der Frauen hat er schon lange gewon-
nen. „Aufgrund meines Werdegangs“,
gibt er allerdings zu, „bin ich kein An-
hänger der Ehe“. In den 1930er-Jah-
ren dreht der ewige Junggeselle einen
Film nach dem anderen. In Argentini-
en, in Frankreich, in den USA. Mit Pa-
ramount wird er endgültig zum Film-
star. Nein, zum Weltstar!
Schließlich tourt Carlos Gardel nach
Kolumbien. Am 24. Juni 1935 singt er
in Medellín sein letztes Lied: „Mi Bu-
enos Aires querido “ („Mein gelieb-
tes Buenos Aires“). Dann kracht sein
Flugzeug in ein anderes. Das Idol der
Argentinier ist tot. Ein Volk ist ver-
zweifelt. Er war doch einer von ih-
nen! Tausende begleiteten seinen Sarg
durch die Straßen zum Friedhof nach
Chacarita Ù und aus den Fenstern
regnen Blumen.
Bis heute weigern sich die Argenti-
nier zu glauben, dass Carlos Gardel
wirklich tot ist. „Er singt jeden Tag
besser“, sagen sie und stecken ihm lä-
chelnd eine Zigarette zwischen seine
Bronzefinger. Und Gardel lächelt still
zurück.
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