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co. Erst 1933 fand es seinen Platz im
Wasserwerk.
Die Sammlung des Museums be-
steht aus rund 11.000 Werken, 688
davon werden permanent gezeigt.
Neben Malerei, Zeichnungen und
Drucken sind auch Skulpturen darun-
ter. Ein großer Teil der Werke stammt
aus den Sammlungen reicher argen-
tinischer Familien und vermitteln da-
durch viel über den Geschmack de-
rer, die es sich leisten konnten, Kunst
zu kaufen. Im Erdgeschoss finden
sich auf 2000 m² die Kunstbiblio-
thek und internationale Kunstwerke
vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhun-
dert. In der ersten Etage widmet sich
das Museum seit 1980 der argenti-
nischen Kunst des 20. Jahrhunderts
und der präkolumbischen Kunst. Vor-
träge, Filme und klassische Konzer-
te gibt es regelmäßig im Auditorium.
Der blinde Bibliothekar: Jorge Luis Borges
Jorge Luis Borges gehört zu den gro-
ßen Schriftstellern der Welt, einen Ro-
man hat er aber nie geschrieben. Sei-
ne Form ist die Erzählung. Der Essay.
Die Lyrik. In seinen Gedichten feiert
er Buenos Aires in den schillerndsten
Farben und behauptet kurzerhand,
die Stadt sei im Viertel seiner Kindheit
gegründet worden: in Palermo. Dort
lebte Borges bis 1914 im Haus mit der
Nummer 2135 in der Straße Serrano,
dann zog die Familie nach Europa.
Als sie 1921 zurückkehrten, entdeck-
te Borges seine Heimatstadt neu und
veröffentlichte 1923 die Gedichtsamm-
lung „Fervor de Buenos Aires“ („Bu-
enos Aires mit Inbrunst“). In diesen
Gedichten, so sagte er im Alter von 80
Jahren, sei sein ganzes späteres Werk
enthalten.
Borges war ein bewanderter Kosmo-
polit, ein kühler Denker, ein feinsinni-
ger Gelehrter. Und ein literarisches Ge-
nie. Seine Texte sind ein Spiel mit der
Täuschung: Geschickt vermengt er Re-
alität und Erfundenes. Seine Themen
sind die Unendlichkeit - und natür-
lich Buenos Aires. Seine „Universalge-
schichte der Niedertracht“ von 1935
gilt als die Geburtsstunde des magi-
schen Realismus. Seine Erzählungen
sind Meisterwerke der fantastischen
Literatur.
Mit 50 Jahren erblindet Jorge Luis
Borges, vielleicht weil er die Regierung
Peróns nicht mehr mit ansehen moch-
te, die ihn 1946 von seinem Posten als
Bibliothekar zum Marktinspektor für
Hühner und Hasen befördert hatte.
Nach Peróns Sturz 1955 wurde Borges
zum Leiter der Biblioteca Nacional
(s. S. 97) bestellt. Bis 1973 behielt er
den Posten, dann kam Perón zurück.
Auch wenn die Genialität Jorge Luis
Borges unumstritten ist - seine poli-
tische Haltung ist es nicht: Er dankte
1976 dem Diktator Videla persönlich
für dessen Militärputsch. Erst als er
von Menschenrechtsverletzungen er-
fuhr, distanzierte er sich. Vom chileni-
schen Diktator Pinochet nahm Borges
eine Auszeichnung an - angeblich der
Grund dafür, dass er den Nobelpreis
nie bekommen hat.
„Ich bin kein Nationalist, sicher
kein Peronist und sicher kein Kom-
munist“, so sagte er in einem Inter-
view. „Ich bin ein bescheidener Anar-
chist. Ich glaube an das Individuum,
nicht an den Staat.“ Jorge Luis Borges
starb am 14. Juni 1986 mit 86 Jahren
in Genf.
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