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Insel der Infizierten, Kranken und Isolierten: Känsö
Hafenstädte wie Göteborg waren in
der Vergangenheit Haupteinfallstore
für ansteckende Krankheiten, Seu-
chen und Epidemien. Um diese Gefahr
zu eliminieren, dachten sich die Ver-
antwortlichen über die Jahre Mecha-
nismen und Verfahrensweisen aus. So
befand sich auf der kleinen, im süd-
westlichen Schärengarten gelegenen
Insel Känsö seit 1771 eine medizini-
sche Quarantänestation.
Schiffe aus Seuchen- oder Gefahren-
gebieten (welche als solche von entspre-
chenden staatlichen Stellen in Schwe-
den klassifiziert wurden) näherten
sich Känsö mit der gehissten schwar-
zen Quarantäneflagge, oft beglei-
tet von einem Lotsen, der jedoch mit
einem eigenen Boot segelte, um jegli-
chen Kontakt zu vermeiden. Mithilfe
einer langen Stange wurden den Ver-
antwortlichen die Schiffspapiere über-
reicht. Die Papiere wurden in Essig ge-
tränkt, in einer Blechdose deponiert
und an Land gebracht. Dort öffnete
ein Beamter mit Wachshandschuhen
und Zange die Dose, räucherte (!) die
Dokumente ausgiebig und erst dann
wurde sich mit dem Inhalt auseinan-
dergesetzt. Je nach Urteil der Exper-
tenkommission mussten die betroffe-
nen Schiffe bis zu 40 Tage vor Känsö
vor Anker gehen. Teilweise mussten so-
gar die geladenen Waren auf der Insel
zwischengelagert und ebenfalls geräu-
chert werden. Aber auch die Besatzun-
gen mussten 40 Tage ausharren, bevor
sie die letzten Meter bis in den Götaälv
zurücklegen durften.
Genau vor der Felsküste der Insel
wurden zu diesem Zweck vier Gebäu-
de jeweils auf einer künstlich aufge-
schütteten Insel, komplett voneinan-
der isoliert, errichtet: zwei Lagerge-
bäude, eine Peststation und ein all -
gemeines Seuchenkrankenhaus. Aus
medizinhistorischer Sicht von beson-
derem Interesse dürfte das Parloir-
Gebäude sein, das bis heute unverän-
dert und im historischen Originalzu-
stand die Zeitläufe überlebt hat. Im
Haus konnten sich auf Känsö Isolier-
te mit möglichen Besuchern oder dem
Personal der Quarantänestation tref-
fen. Der Gesprächsraum war durch
ein massives Gitter und eine durchge-
hende Rinne baulich getrennt. In der
Rinne wurde kontinuierlich Schwefel
verbrannt, da der beißende Qualm die
Ausbreitung der ansteckenden Krank-
heitserreger verhindern sollte. Gegen-
stände, die Isolierte und Besucher mit-
einander ausgetauscht hatten, wurden
vor Übergabe den Schwefelschwaden
ausgesetzt, um sie zu desinfizieren.
Kapitänen und deren möglichen
Handelspartnern im Göteborger Ha-
fen, die versuchten das obige Prozede-
re zu umgehen, drohten rigorose Stra-
fen: Todesstrafe für die direkt Invol-
vierten und zusätzliches Verbrennen
der kompletten Ladung und des Schif-
fes, damit auch die Schiffseigentümer
in fremden Ländern bestraft werden
konnten. Das schwedische Militär
übernahm die Insel im Jahr 1935 und
besiegelte damit de facto das Ende der
Känsö Quarantänestation.
Auch heute noch steht die Insel un-
ter dem Kommando der schwedischen
Marine und Zivilisten dürfen sie nur
mit Sondergenehmigung besuchen.
Aber Gerüchten zufolge soll schon ein
gut erhaltenes Gebäude für eine zu-
künftige Nutzung als Museum ausge-
gewählt worden sein.
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