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Loy Rüa —
das Fest der Seezigeuner
Zweimal im Jahr feiern die chao 'le oder „Seezigeuner“ ihr wichtigstes
Fest, das loy rüa (wörtlich „schwimmende Boote“). Dieses Fest gibt ih-
nen - neben aller feuchtfröhlichen Feierei - auch die Möglichkeit, ihre
Gruppenidentität zu wahren, die ansonsten Gefahr läuft, vom Lebensstil
der „normalen“ Thais aufgelöst zu werden.
Das loy rüa findet jeweils im 6. und 11. Monat des Thai-Kalenders statt
(Sept./Okt. und Feb./März), am 13., 14. und 15. Tag nach Vollmond.
Dazu werden ca. 2,5 m lange hölzerne Segelboote gebaut, die prahu.
Die einzelnen Bestandteile, hauptsächlich Palmstämme und Bambus-
rohre, werden in einer Prozession von den Dorfbewohnern zu den
Prahu-Bauern gebracht. Nach Gebeten zu den Schutzgeistern des Dor-
fes an einem Schrein und vielerlei Gesang, der durch reichlichen Kon-
sum von Alkohol erst seine gewünschte Inbrunst erhält, beginnt der Bau
der prahu. In wenigen Stunden sind die Boote zu ihrer traditionellen
Form zusammengefügt, dann erscheint ein Priester, der einige Riten
vollführt. Zum Abschluss wirft er einen Gegenstand auf die prahu, der
alles Unglück des Dorfes enthalten und von dem Boot weit weggetra-
gen werden soll.
Die anderen Dorfbewohner setzen nun Gegenstände auf das Boot,
die deren persönliches Unglück enthalten, um es ebenso auf die Reise
zu schicken und Unglück in Zukunft fernzuhalten. Dazu eignen sich be-
sonders abgeschnittene Haare und Fingernägel, aber auch Chillis, Fisch-
paste und sogar kleine Puppen oder imitierte Waffen. Einige Dorfbe-
wohner reiben Puffreis an ihrem Körper, der ebenfalls Unglück hinweg-
nehmen soll, und werfen diesen auf das Boot.
Die Feierlichkeiten ziehen sich bis spät in die Nacht hinein, und erst
kurz vor Sonnenaufgang werden die prahu auf das Meer geschickt. Da-
zu werden sie erst auf ein motorisiertes „Langschwanzboot“ (rüa haang
yao) bugsiert, das sie vor die Küste bringt, aber immer noch in Sichtwei-
te der zahlreichen Beobachter am Strand. Dann heißt es, auf den richti-
gen Wind zu warten. Triebe nämlich der Wind die prahu zurück an die
Küste, so bedeutete dies eine Welle des Unglücks für das Dorf. Den-
noch kann mit dem Aussetzen der Boote nicht unbegrenzt gezaudert
werden, denn würden die Boote von den Strahlen der aufgehenden
Sonne erfasst, so könnte auch dies Katastrophen auslösen. Die Männer,
die die prahu aussetzen, stecken so in einem Dilemma, das für die nöti-
ge Spannung beim loy rüa sorgt.
Am Strand stehen ca. 3 m hohe Holzkreuze, die das Wiederkehren
der Boote auf magische Weise verhindern sollen. Die am Strand ver-
sammelte Dorfbevölkerung beobachtet nun genau, was auf dem Meer
passiert. In den allermeisten Fällen erhellen sich die angespannten Ge-
sichter bald zu einem erlösten Lächeln, denn die prahu, beladen mit
dem gesamten Unheil des Dorfes, treiben hinaus aufs offene Meer.
Das glückliche Weiterbestehen des Dorfes ist den chao 'le so zumin-
dest für die nächsten Monate garantiert.
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