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Notdürftig wird das Rad fahrtauglich gemacht. Immerhin wird in einer halben Stunde
die Straße gesperrt. Wir müssen es trotzdem schaffen. Nach wenigen Metern auch noch
Schneefall - nein, kleine Fliegen. - Tausende. Die nächste Panierschicht.
Ich komme mir vor wie geteert und gefedert.
Als wir endlich den beschriebenen Campingplatz erreichen, ist er erstens voll und zwei-
tens nur für Campingwagen- und Trailertouristen: „No tents!“ - Auch das Argument, dass
wir eh kein Zelt dabeihaben und außerdem ärztliche Versorgung bräuchten, bewegt kein
Rangerherz. Hier sind eben Touristenprofis am Werk und keine zart besaiteten Provinz-
Eierköpfe, die man einfach mit irgendeiner fadenscheinigen Masche weich kochen kann.
Also ab mit euch, Jungs. Und wehe, ihr schafft die vier Meilen zum Zeltplatz nicht, bevor
die Straße gesperrt wird und es stockfinster ist, dann … - Was dann, eigentlich?
Wir hetzen weiter. Kommen sogar rechtzeitig an - nur um zu erkennen: Es gibt hier keine
Duschen! Wenn wir uns waschen wollen (aber welcher normale Mensch will das schon?),
dann müssen wir noch mal kurz vier Meilen die Straße runter. Da ist nämlich der Trailer-
Campingplatz. Und dort gibt es Duschen - sogar warme! Aber inzwischen ist es fast schon
dunkel.
Yellowstone ist zwar bildschön, aber meine schlimmsten Befürchtungen haben sich be-
wahrheitet: Die Organisation des Nationalparks ist auf Massentourismus ausgelegt, fahr-
radfeindlich und somit einfach beschissen!
Heute kann ich's wieder: Eben noch beim Mud-Wrestling im Straßengraben, jetzt
schon hier auf der Herrentoilette. Mit lauteren Absichten besteige ich ein Waschbe-
cken, kratze einen Teil des Drecks aus den Wunden und desinfiziere mit einem Spray-
pflaster.
Offiziell ist auch der Zeltplatz schon voll, allerdings gibt es für so unangemeldete Typen
wie uns noch ein kleines Kontingent an Rasenflächen. Wenig später zeigt man uns ei-
ne mögliche Bettstatt: Ein Fleckchen Gras direkt an der Platzstraße. Miete: 60 Dollar pro
Quadratmeter (zum besseren Vergleich auf einen Monat hochgerechnet); teurer als auf der
Kärntner Straße in Wien. - Außerdem kreisen Schwärme von Moskitos wie Geier über uns.
Sachliches, illusionsloses Grübeln (Motto: „Wir brauchen irgendein Dach über dem
Kopf, egal welches!“) bringt schließlich die Lösung: Wir beschlagnahmen kurzerhand eine
der Herrentoiletten unten am See und versiegeln die offene Schwingtür mit einem Zettel
(Aufschrift: „WC geschlossen - Verwenden Sie bitte die Toilette oben am Campingplatz. -
Vielen Dank!“). Auf diese Weise sind wir die Ranger, die Gelsen, lesekundige Bären und
auch die blasenschwachen männlichen Touristen los. Toll!
15.
Wal, da bläst er!
Captain Ahab in „Moby Dick“
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