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nur so von Autos, Bussen und Lastwagen, die die gesamte Landschaft in eine dichte Staub-
wolke hüllen. Im Blindflug geht's abwärts. Die nasse Gatsch-Schicht auf unserer Haut wird
mit trockenem Staub paniert. An einer strategisch günstigen Stelle halten wir dann an, bis
sich der Staub gesetzt hat und wir wieder bis zu unseren Zehenspitzen sehen können.
Als wir schließlich weiterfahren, sitzt auf einmal ein gutes Dutzend Gelsen auf mir.
Ich überlege mir kurz, was sich wohl dagegen unternehmen ließe, dann lasse ich die
Gelsen Gelsen sein: Das bisschen kalkulierter Blutzoll ist nichts im Vergleich zu dem
Risiko, das ich eingehe, wenn ich mich nicht auf diese „Straße“ konzentriere.
Plötzlich haben wir so etwas wie Asphalt unter den Reifen. Lange, unberechenbare
Längsrillen simulieren gefährlichen Seegang auf der Fahrbahn und wechseln sich spiele-
risch mit scharfkantig aufgeplatzten Bodenwellen ab.
Als sich nach einer Kurve der Yellowstone Lake vor uns ausbreitet, haben wir es endlich
geschafft: Der Baustellenbereich liegt hinter uns. Aber es dämmert bereits. Wunderschön,
die riesige Seenlandschaft im weichen, rötlichen Abendlicht. Links der Yellowstone Lake,
rechts ein morastiger Sumpf, überzogen mit einem lilafarbenen Meer aus Blumen. Vor uns,
auf der schmalen Straße, nur noch kleine Schlaglöcher. Keine große Sache. Wir rollen bei
20 mph gemütlich dahin.
Als mir eines dieser kleinen Schlaglöcher plötzlich auf meiner Spur entgegen-
kommt, weiche ich natürlich nach rechts aus: Auf der Kühlerhaube irgendeines zu-
fällig überholenden Autos mag ich schließlich auch nicht sitzen. Was im Dämmerlicht
wie der leicht abgeschrägte Rand jeder guten amerikanischen Durchschnittsstraße
aussieht, erweist sich jedoch als loser Teer und Rollsplitt.
Während das Rad in Richtung Sumpf abrutscht, trifft mich blitzartig die Erkennt-
nis, dass es so nicht weitergehen kann: Instinktiv stemme ich mich dagegen. Und kra-
che im nächsten Moment auf die Straße. Ganzkörperbremsung. - Die Handschuhe
hatte ich eigentlich nur zufällig an. Das Leder ist aufgerissen. Zwei Bananen dienen
als Airbag und sehen nachher aus wie Babybrei. Ein Arm und ein Knie sind aufge-
schürft - das Blut versickert in der Lehmschicht von vorhin. Schaltung und Lenk-
stange sind verbogen, die Lampe ist abgebrochen, der Sattel aus der Verankerung ge-
rissen.
Der erste zusammenhängende Gedanke: Schwein gehabt - nicht nur, was unsere
bisherige Reise betrifft, sondern auch gerade eben. Schlagartig wird mir bewusst, an
welch seidenem Faden unser Abenteuerluftschloss eigentlich hängt. Aber das Luft-
schloss hat den Sturz unversehrt überstanden.
Geländeprüfung, letzter Teil (hoffentlich!): Ich hab mit 1- bestanden, hatte allerdings
auch Kotflügel, um das Übelste abzuwenden. Stefan sieht dafür aus wie eine Sau (besten-
falls 3+). Bei dem Sturz unten am See ist wohl selbst den Grizzlies im Wald der Appetit
vergangen. - Habe selten so viele Touristen so blöd gaffen sehen.
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