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man vor der Bar in unübersehbarer Lebensgröße einen schwarz gefleckten Holzgaul hin-
gestellt. („Du, Winnetou, sieh mal, ein schwarz gefleckter Gaul!“ - „Ja, Old Shatterhand,
wenn das nicht das berühmte ,Spotted Horse' ist.“)
Jetzt besteht „Spotted Horse“ also nur noch aus diesem urgemütlichen Lokal mit Pool-
tisch, 50er-Jahre-Jukebox, Dartsscheibe, einem Dutzend „Bar-Sätteln“ und jeder Menge
ungewöhnlichem Gerümpel, das auf die umliegenden Wände verteilt ist. Während die Bar-
frau uns mit Omas Keksen füttert, erzählt sie uns, wie sie das Zeug beim Aufräumen und
Saubermachen in der näheren Umgebung aufgesammelt hat.
Beim Anblick eines wunderschönen, 50 Jahre alten „Schwinn“-Rades mitten in dieser
Schrottsammlung wird mir auf einmal ganz flau im Magen. Am liebsten würde ich meinen
postmodernen Alu-Drahtesel dagegen eintauschen und stattdessen mit diesem Edelstahl-
klassiker nach San Francisco radeln. Leider erinnert mich Stefan daran, dass meine Chan-
cen, mit der quietschenden Legende auch tatsächlich dort anzukommen, gleich null sind.
Als wir von den Barsitzen wieder auf die Fahrräder umsatteln, haben wir begriffen: Der
alte Rand McNally wird schon gewusst haben, warum er das Etablissement im Kontinental-
Atlas vermerkt hat.
Die Kulissenmaler von Paramount Pictures und die Jungs von Technicolor haben in Wyo-
ming ganze Arbeit geleistet und diese Gegend genau so hingekriegt, wie man das in den
Filmen immer sieht. Nur John Wayne will trotz lustvoller „Yippieyei“-Rufe und täuschend
echten Indianergeheuls einfach nicht hinter seinem Kaktus hervorkommen. - Dafür tref-
fen wir Steve und Christina, ein radelndes Pärchen aus San Francisco. Während Stevie, der
coolerweise eine Fünf-Kilo-Kühlbox für Bier mitschleppt, erzählt, dass in Frisco schon ein
eigenes In-Beisl für Fahrradboten aufgemacht hat, gibt das Hinterrad seines Underdog-Tre-
tesels mit einem lauten Zischen die Luft ab. Stevie flucht, wir lachen - und fahren weiter,
bevor er uns erschlägt.
Mein Kilometerzähler springt von 3999 auf 4000: fast schon keine Sensation mehr. Ste-
fan jedenfalls hat's mit einem Grunzen zur Kenntnis genommen. Ich steigere mich, mangels
anderer Höhepunkte, in künstliche Freude hinein. - San Francisco als Ziel, das anfangs
so unrealistisch fern schien, huscht mir nun immer öfter durch den Kopf. Längst hat sich
diese Stadt in meinem Bewusstsein vom simplen Endpunkt einer Reise in eine Art Leitstern
verwandelt. Ich muss gegen meine Sehnsucht (so etwas wie Heimweh nach San Francisco)
regelrecht ankämpfen, sonst kann ich den vielleicht schönsten Teil der Reise nicht mehr
genießen.
Die Freunde von Vicky und Alex in Sheridan sind entsprechend nett: Wir erscheinen un-
angemeldet (aber dafür pünktlich) bei Peggy und Rick zum Dinner und dürfen uns gleich
dazusetzen.
Während des Essens informieren wir uns über die bevorstehende Etappe, so dass wir bei
der Nachspeise wissen: Morgen wird's hoart!
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