Travel Reference
In-Depth Information
hin und wieder kommt einer auf die glorreiche Idee, beim Überholen ein wenig langsamer
zu fahren, damit wir nicht minutenlang in einer Staubwolke verschwinden.
Die Bewohner von Scenic müssen uns unbedingt auf die Nase binden, dass es gestern
trotz bedrohlicher Wolken gar nicht geregnet hat. Und die 4 th -of-July-Feiern waren natür-
lich auch toll. (Das sagen die nur, um uns zu ärgern …) - Wortlos besteigen wir wieder
unsere Räder und fahren weiter in Richtung Rapid City.
Wir hassen Großstädte. Aber große Städte hassen uns ja auch. Rapid City beispielsweise
versucht schon aus einer Entfernung von zehn Meilen, uns wieder hinauszublasen. Was ihr
(der Stadt) natürlich nicht gelingt. Aber die Aktion hinterlässt bei uns gleich einmal einen
schlechten Eindruck. Als wir endlich in Rapid City einfahren, sind die Fronten deshalb klar.
Eigentlich wollte ich heute nur NO COMMENT! in mein Tagebuch schreiben, aber Ste-
fan musste ja als Andenken an die „Waschbretter“ aus den Badlands einen Speichenbruch
mitnehmen.
Der Versuch, das verheerende Malheur im einzigen auffindbaren Radgeschäft reparieren
zu lassen, erinnert uns an die Klavierstunde im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“:
„Können Sie das ganz schnell reparieren? Bitte!!“ - „Natürlich, kommen Sie nächste Wo-
che wieder.“ - „Nein, es muss heute sein. Nicht morgen, nicht nächste Woche, heute!“ -
„Tut mir Leid, keine Zeit.“ - „Bitte!! - BITTE!!!“
Ich fasele schließlich irgendetwas von einer nationalen Mission, von patriotischem
Langstreckentest und amerikanischem Pioniergeist. Das zieht: Von Gefühlen über-
wältigt („Ich tu alles, wenn du nur aufhörst, auf mich einzureden … “), verspricht
der Mann im Radgeschäft, sich mein Hinterrad anzusehen, sobald er seine übrige Ar-
beit erledigt hat.
Während Stefan mit der Peitsche in der Hand und schwülstigen Sprüchen auf den Lippen
neben dem Fahrradmechaniker Wache hält (ich glaube, er hat sogar irgendwas wie „Long
live America!“ gesagt, als der Typ endlich einlenkte), fahre ich dreimal die ganze Stadt ab
(daraus ergibt sich später in San Francisco eine Differenz auf unseren Kilometerzählern),
um eine Bleibe für die Nacht zu finden. Aber Rapid City ist eine richtig miese Stadt (wie
Städte eben so sind). Als letzte Ausflucht bleibt ein College, das zwar im Sommer geschlos-
sen hat, aber Studenten die Möglichkeit bietet, Freitag abends noch ein bisschen Volley-
ball zu spielen. Ich latsche wie selbstverständlich ins Gebäude, grüße alle freundlich („Ich
bin's, euer Tobi!“) und schiebe bei meinem Rundgang ein Taschentuch in eine ausschließ-
lich von innen zu öffnende Seitentür.
Die Speichenreparatur kostet 15 Dollar, und dafür zieht der gute Mann nicht einmal
die übrigen Speichen ordnungsgemäß nach. Vielleicht hätte ich ihm doch nicht an-
dauernd versichern sollen, dass wir morgen früh die Stadt auf Nimmerwiedersehen
verlassen wollen? - Ich ahne jedenfalls, dass ich deshalb in den nächsten Tagen noch
viele unterhaltsame Stunden mit dem Schraubenzieher verbringen werde.
Search WWH ::




Custom Search