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und wir würden tatsächlich bis San Francisco radeln?) und lädt uns zum Abendessen ein
(Barbecue, was sonst?), damit sie uns ihrem Mann und ihrem radbegeisterten Sohn vor-
stellen kann. Die ganze mühselige Herbergssuche hätten wir uns sparen können: Als wir
Joanna erzählen, dass wir bereits eine Bleibe für die Nacht haben, ist sie beinahe beleidigt.
- Beim Essen stellt sich dann auch noch heraus, dass sie zufällig den amerikanischen Mu-
siklehrer unserer alten Schule in Wien kennt (die Welt ist wirklich klein).
Unserer kulinarischen Disziplinlosigkeit (wir essen zu lange), unserem mangelnden Ori-
entierungssinn (wir verfahren uns ordentlich) und der absolut inakzeptablen Schotterstraße
vor dem Haus (wir kommen in diesem Kiessumpf fast nicht vom Fleck) ist es zu verdan-
ken, dass wir beinahe zu spät zum Rennen kommen.
Vor der Rennstrecke gibt es dann eine herzzerreißende Wiedervereinigungsszene. Alle
sind sie gekommen: nicht nur Debbie und ihr Mann, sondern auch Mike und Jake; noch
dazu mit ihrem „Motorhome“ (einen kleinen Palast auf Rädern) und jeder Menge Getränke
(die wissen schon, wie man Feste feiert). Wir fallen einander in die Arme wie gute alte
Freunde, die einander schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben.
Von einer Plattform aus mitten im zentral gelegenen Fahrerlager dürfen wir dann mit
Troys Mechanikercrew zusammen die Auftritte des großen Meisters genießen. Yes! Das
hier ist das wahre Amerika: Unter dem Gegröle der Menge brettern die Piloten mit ihren
Fünf- bis Acht-Liter-Maschinen in halsbrecherischen Schräglagen um den Flutlicht-Oval-
kurs. Der Dreck fliegt, Kotflügel und Spoiler fliegen, und wenn wieder einer zu viel ge-
schubst hat, fliegt gelegentlich auch mal ein Wagen über die Kante außer Sichtweite in den
dahinter liegenden Graben, dass es nur so kracht. Aber das gehört hier wirklich dazu.
Troy startet gleich in zwei verschiedenen Hubraumklassen und schlägt sich dabei mehr
als wacker. In der Hobby-Stock-Klasse muss er allerdings auch noch gegen höhere Gewal-
ten antreten: Einer der Zylinder will nicht so richtig mit und macht Troy im letzten der
beiden Qualifikationsläufe doch noch einen Strich durch die Rechnung. In der Klasse der
Acht-Zylinder-Aggregate wird Troy nach überlegener Führung dafür in beiden Läufen Ers-
ter.
Ein richtiges Stock-Car-Race in uriger US-Provinzdorf-Atmosphäre: die Erfüllung einer
meiner größten Amerika-Träume!
Tobi strahlt das ganze Rennen über wie ein Weihnachtsbaum.
Auch Debbie genießt mit sichtlichem Vergnügen, was sie uns damit für eine Freude ge-
macht hat. Nicht einmal zwei Tage kennen wir diese Familie und der Abschied fällt richtig
schwer. Nach Troys Siegesfeier und ein paar rührenden Erinnerungsfotos fahren uns Mike
und Jake zu Matt, dem Lifeguard, wo wir mit ihm und seiner Schwester im Keller noch bis
halb zwei Uhr Billard spielen.
Als wir anschließend unserer Schwester daheim mitten in der Nacht eine E-Mail schi-
cken, stoßen wir an Matts Zimmerwand auf einen Wien-Plan (Freytag & Berndt), auf dem
wir dann für ihn noch wehmütig eine virtuelle Sightseeingtour veranstalten.
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