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ohne das geringste Lüftchen (außer dem mühsam erkämpften Fahrtwind) auf dem Sattel
verglüht, nützt das nicht viel.
Als unser Verlangen nach Schatten immer größer wird, beginnen wir nach einem Mit-
tagsrastplatz und etwas zu essen Ausschau zu halten. So erreichen wir ungefähr um halb
zwei das kleine, auf den ersten Blick eher hässliche und unscheinbare Örtchen Thompson.
(Ob hier die berühmten Gazellen gemacht werden, konnte uns niemand beantworten.) Von
den 600 Einwohnern lässt sich zunächst nur ein Traktorfahrer blicken, der uns dankenswer-
terweise darauf aufmerksam macht, dass Thompson nicht bloß aus einer Tankstelle besteht
und der Kornsilo an der Bundesstraße nicht die einzige Futterquelle ist. Er weist uns den
Weg über einen staubigen Schotterpfad auf die „Main Alley“ des Ortes. Und so nimmt das
Schicksal seinen Lauf.
Die Hauptstraße sieht aus wie aus einem schlechten Western: sandig und breit, mit zwei
langen Häuserzeilen zu beiden Seiten. Geschafft, nass geschwitzt und angestaubt finden
wir ein geöffnetes Lokal und zelebrieren dort eine ausgiebige Mittagspause.
Ein Blick in die Reisekassa enthüllt, dass unser Bargeld schon etwas knapp ist (und eine
Rückfrage bei der Kellnerin enthüllt, dass sie unsere Kreditkarten nicht will). Während Ste-
fan in seiner gewohnt langsamen Art fertig isst, bringe ich daher schweren Herzens meinen
letzten Travellerscheck zur örtlichen Bank. Als ich zurückkomme, hat Stefan inzwischen mit
der Kellnerin angebandelt und fasziniert sie durch gleichgültiges Herunterbeten unserer
Heldentaten, während er sich die letzten Salatreste aus den Zahnlücken kratzt.
Keine fünf Minuten später (in Thompson verfügt man offenbar über telepathische Kom-
munikationswege) fangen uns zwei Ladys beim Verlassen der Bar ab. Eine ist Redakteurin
beim „Thompsoner Kurier”, die Fragen stellt allerdings die andere: Debbie, der man selbst
bei geschlossenem Mund (ein seltener Fall) von weitem ansieht, dass sie ein extragroßes
Herz haben muss, eine wirkliche „Mutter für alle“.
Während Debbie uns über alle möglichen Details unserer Reise ausquetscht, beginnen
wir zu ahnen, dass diese Fragestunde unter Umständen angenehme Konsequenzen für uns
haben könnte. Mit einem kurzen Grinsen klären wir untereinander ab, dass die mörderische
Hitze unseren Radeldrang für heute durchaus gestillt hat (obwohl wir noch keine 80 Kilo-
meter geschafft haben).
Zur Belohnung fürs Stillsitzen (die andere Frau ist scheinbar auch noch Pressefotografin)
und die gekonnte Selbstdarstellung (es gibt schließlich nichts, was wir lieber täten) dürfen
wir dann gratis ins örtliche Schwimmbad. Debbie scheint auch die Ziehmutter des Mäd-
chens an der Kasse zu sein („Hi, these boys are gonna go in for free!“) - auf alle Fälle ist
jeder Widerspruch zwecklos. Heidi und Brandy, die beiden langbeinigen Bademeisterinnen
(hier sagt man natürlich smart „Lifeguards“ dazu), wachen in der Folge geradezu liebevoll
über unser kostbares Leben, während wir uns todesmutig in das tosende Schwimmbadwas-
ser werfen.
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