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Straße sind überall hineingekrochen. Kein Wunder: Jedes Mal, wenn so ein „Freightliner“
auf einen zugedonnert kommt, führt er eine zwölf bis fünfzehn Meter dicke Wasser- und
Dreckwand mit sich.
Gegen 19 Uhr ziehe ich die Notbremse. Ich bin klatschnass, müde und durchgefroren,
es dämmert bereits und der Regen wird eher noch stärker. Kein Ende in Sicht: Die Panik
übermannt mich. Saginaw - unfreundliche Großstadtatmosphäre, hektischer Verkehr, eine
graue, unübersichtliche Suppe. Wo sollen wir in dieser Sauerei einen trockenen, warmen
Platz zum Schlafen finden? Ich muss Stefan beinahe vom Rad runterzerren. Dem ist das
alles wieder einmal Wurscht.
In diesem Moment fällt uns ein Auto auf, das wenige Meter vor uns in eine Einfahrt ein-
biegt. Wir ergreifen die Gelegenheit beim Schopf und stellen uns vor - was folgt, ist ein
kurzes, zähes Ringen mit Jim und Jane, den vom Zufall „auserwählten“ Gastgebern. Wie
üblich bitten wir um einen trockenen Platz in der Garage - nur, dass wir diesmal nicht bit-
ten, sondern flehen. Kurz sieht es so aus, als würde sich unser Wunsch dennoch nicht er-
füllen; nachdem der erste Schreck überwunden ist und sich das junge Paar mit seinen zwei
kleinen Kindern und dem Haushund beraten hat, laden sie uns dann jedoch, nass, wie wir
sind, sogar in die Wohnung ein.
Der Keller ist von den Regenfällen schon leicht überflutet, aber der Wäschetrockner
funktioniert zum Glück noch. Es ist keine reiche Familie, die wir da heute überfallen, und
ihr gewohntes Alltagsschema haben wir gehörig durcheinander gewirbelt. Es ist auch nicht
klar, wie mit den beiden durchgeweichten Gästen eigentlich umzugehen ist. Trotz dieses
Einbruchs in ihr Privatleben sind unsere Gastgeber sichtlich bemüht. Für die Familie mag
es nur ein kleiner, schwieriger Schritt sein - aber an uns ist es ein großer Dienst.
Ich bin diesen Leuten vom Grunde meines Herzens dankbar. Natürlich haben wir uns
woanders bestimmt schon mal diskreter aufgedrängt. Aber heute ist es ein Notfall - und
morgen früh können wir dafür mit trockenen Sachen losstarten. (Die Schuhe bleiben natür-
lich nass.)
Der Wäschetrockner heult die ganze Nacht.
18.
Angie!
Mick Jagger
Als wir aufwachen, hat es gerade kurz aufgehört zu schütten. Vor dem Aufbruch ein ah-
nungsvoller Blick auf den Weather-Channel: Regen die nächsten Tage. Und Überschwem-
mungen.
Ich verspüre ein Stechen im Hals. Oder ist es der Kiefer? Ein Weisheitszahn? Ein
Eiterherd? Oder doch beides? - Schließlich das vernichtende Urteil: Angina,
schmerzvolles Stadium. (Mist. Vielleicht hätten mir die Halsschmerzen seit Kanada
eine Warnung sein sollen?)
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