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Petrolia ist richtig nett und das Vertrauen und die Herzlichkeit der Petrolianer sind
einfach überwältigend. Aber für Tobi ist diese Pause, glaube ich, eine Frage des psy-
chischen Überlebens.
Wie wichtig mir diese Begegnung ist, weiß ich erst seit ein paar Stunden. Drago und
Flori haben uns die Möglichkeit gegeben, nach drei Wochen von insgesamt drei anstren-
genden Monaten weit weg von zu Hause noch einmal komplett zu entspannen und unsere
psychischen Batterien neu aufzuladen.
Nach einem tollen Frühstück (Eierspeis mit Zwiebeln aus dem eigenen Garten, selbst ge-
machtes Kletzenbrot mit Butter und Mohnstrudel) sehen wir uns das örtliche Erdölmuseum
an.
Stefan zeigt unverständlicherweise mehr Interesse für unsere niedliche Führerin als für
den stinkenden Schlamm. Als Drago uns schließlich mit dem Fahrrad abholt und auf ein
Eis einladen will, zerren wir ihn mit Gewalt aus dem Ticketbüro.
Nach dem Besuch in diesem Eisladen - bezeichnenderweise heißt er „Hollywood
Dreams“ - bekommt die Reise für Tobi auf einmal völlig neuen Tiefgang: Nicht die
profane Gier nach Ruhm oder die Sehnsucht nach Weisheit und Erkenntnis wer-
den fortan sein irdisches Streben bestimmen, sondern einzig die Suche nach Peanut-
Butter-Icecream, die in Geschmack und Qualität wenigstens annähernd an diese hier
in Petrolia herankommt.
Flori hat eine unbedeutende Randbemerkung Stefans über die Qualität amerikanischen
Käses aufgeschnappt und überrascht uns mittags mit französischem Weißbrot und reifem
Camembert. Uns fehlen die Worte (ehrlich!).
Bevor wir fahren, wird Flori uns dann auch noch Geld für unsere Reise anbieten. Für sie
eine Selbstverständlichkeit. Wir werden es ebenso selbstverständlich wie dankend ableh-
nen.
Ein „Familienausflug“ an die Mündung des gewaltigen Lake Huron in den Erie-Kanal
endet dann (wie geplant) bei Dragos kroatischen Freunden und einem sensationellen Bar-
becue. Josip, unser Wirt für den heutigen Abend, ist von Beruf Schweißer und hat einen
zweistöckigen Griller entworfen, in dem Huhn, Würstchen etc. bei verschiedenen Tempe-
raturen in kroatischem Weißwein schmoren können. Er und seine Frau Olga nehmen uns
wie teure Freunde auf; der Abend verklingt bei anregendem Wein und ebensolchen Gesprä-
chen.
Stefan und ich sind uns jetzt schon einig, dass Petrolia einen wesentlichen Meilenstein
auf unserer Tour markieren wird. Nach allen anfänglichen Strapazen war unser unfrei-
williger Ausflug nach Kanada (wir wollten ja eigentlich nur der Großstadt Chicago aus-
weichen) die Mühe wert. Natürlich sind wir heute keinen Meter mit den Rädern gefahren.
Und wir brauchen deswegen nicht einmal ein schlechtes Gewissen zu haben: Beide haben
wir einen ordentlichen Sonnenbrand abzubauen und Stefan kämpft gegen eine schleichen-
de Erkältung an.
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