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leicht passieren lassen? (Man kann die hinterhältigen Grenzer hinter unserem Rücken rich-
tig tuscheln hören: „So, wie diese Gringos aussehen, kommen die nicht mal aus der Stadt
raus …“)
Wir schaffen es dann doch. Zur Strafe lehren wir den Kontinent auf dieser Seite der
Grenze gleich das Fürchten: Mittags stärken wir uns für acht kanadische Dollar (65 Schil-
ling) mit riesigen Mengen Pizza- und Pie-Stücken sowie zwei Eimern Pepsi - und entwi-
ckeln uns damit endgültig zum Schrecken aller All-you-can-eat-Buffets westlich des At-
lantischen Grabens.
Stefan muss mal wieder übertreiben!
Nach der Siesta versucht Tobi bei einer Tankstelle seinen Hinterreifen aufzupum-
pen. Er bläst dabei die Überreste seines abgebrochenen Ventils in den Schlauch und
muss daher (oje … ) mal wieder den Reifen wechseln. Ich beobachte ihn gelangweilt
von meinem Fahrrad herunter. Aber ich bin so vollgefressen, dass ich plötzlich das
Gleichgewicht verliere. Blöd: Leider hängt ausgerechnet auf dieser Seite noch mein
Fuß im Pedal. Also falle ich um, einfach auf die Straße hinaus. Peng! - Nichts passiert.
Zumindest nichts Wesentliches: Der kanadische Verkehr bremst interessiert, dankbar
für die Showeinlage; eine Frau fragt mich sogar nach meinem (geistigen?) Befinden.
Aber ich habe mir nur leicht die Hand verstaucht und das Knie aufgeschürft.
Das hat er nun davon: Die gerechte Strafe für blöde Bemerkungen über meine Reifen!
Den restlichen Tag ist die Stimmung eher schlecht. In Niagara haben wir wohl doch et-
was Fett angesetzt.
Auf holprigen, schlecht beschilderten Straßen geht es weiter, immer weiter, dem Wind
entgegen … - Irgendwo am Rande der Einöde steht schließlich ein Motel, und weil es
schon leicht dämmert, halten wir an, um die „was kostet …?“-Frage zu stellen. Doch als
die selbstbewusste Besitzerin 40 Dollar für ein Zimmer ohne Frühstück verlangt (wir sind
hier ja nicht am Zürichsee!), entschließen wir uns, den geforderten Betrag irgendwie anders
- und zwar besser - anzulegen. Für Essen zum Beispiel.
Ein paar hundert Meter weiter lächelt uns ein Bauernhof - pardon, eine Farm - entgegen:
Wie es der Zufall will, ist es kaum zehn (oder möglicherweise doch zwanzig) Jahre her,
dass der Bauer Doug und seine Frau Marilyn mit dem Fahrrad durch Europa gefahren sind.
Damit ist die Sache klar, die Wiese gemäht oder „the cow in the freezer“ - wie man hier
sagt: Extra für uns stellt man vor der Scheune ein Zelt auf. Die Einladung, an diesem win-
digen, aber heißen Tag in den Pool zu hüpfen, lassen wir uns dann genau zweimal sagen -
für jeden einmal.
Wunschlose Zufriedenheit; ein Gefühl beinahe wie frisch verliebt!
Bis spät in die Nacht diskutieren wir dann mit Doug und Marilyn unter den wachenden
Augen von schätzungsweise dreißig Schafen über das moderne Bauerntum (Getreidepreise,
Rinder- und Menschenwahn, und wie bös kann ein Esel werden, der Schafe vor Wölfen
hütet?) und süffeln gemütlich kanadisches Micro-Brew. Dass sich die Flaschen nicht, wie
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