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So bitten wir schließlich bei einer Werkstatt am Straßenrand um ein paar Tropfen Öl oder
Silikon. ( Das letzte Wort lässt bei Tobi sehnsüchtige Erinnerungen an den Abschluss-
abend in New York aufkommen … ) Barry, der Maschinenschlosser, an den wir diese Bit-
te richten, versorgt uns mit seinem besten Kriechöl. Die nächsten Meilen schweben wir
dahin, als ob Barry heimlich einen Hilfsmotor montiert hätte. Wir bremsen verstohlen mit,
damit es auf der Ebene nicht zu schnell wird.
Ein abgehobenes Gefühl lautlosen Dahingleitens. Ich hätte nie gedacht, dass mir ein
paar Tropfen Gleitmittel so viel unschuldiges Glück bereiten könnten.
Schließlich holt uns eine Hupe wieder auf den Highway zurück. Barry aus der Werkstatt
hat Feierabend und dröhnt grinsend mit seinem 8-Zylinder-Chevy an uns vorbei. - Wieder
ein paar Meilen später ziehen vor uns dichte, schwarze Wolken auf und der Wind legt
auf einmal beängstigend zu. Als wir gerade wetten wollen, wer zuerst vom Blitz getroffen
wird (wieder eines dieser infantilen Spielchen …), sehen wir vom Straßenrand jemanden
mit zwei Aludosen winken: „Heyguys, wannabeer?“ - Der Experte erkennt sofort ein
klassisch-amerikanisches „Satzkonzentrat“: Zwei Worte, die die Kommunikation aufs We-
sentliche beschränken und trotzdem ein Maximum an Information enthalten.
Natürlich wollen wir. Der Mann mit den Bierdosen ist unser neuer Freund Barry, und wir
kennen ihn schon gut genug, um zu wissen, dass er ein „Nein“ sowieso nicht akzeptiert
hätte.
Barry sieht aus wie Joe, der Bruder von Jack Nicholson. Konsequenterweise zündet er
sich auch gleich eine Zigarre an. Während wir unter einem schützenden Dach die saftigen
selbst gegrillten Hamburger, Baked Beans und Käsenudeln von Barrys Frau Susan verspei-
sen, beobachten wir auf dem Weather-Channel mit gespielter Gleichgültigkeit, wie das Un-
wetter den Nachbarort verwüstet. Dann zeigt uns Barry stolz seine Rambo-Kampfausrüs-
tung (Pfeil und Bogen mit Vierfachklingen und kleinen Sprengköpfen): für die Kaninchen-
jagd - und für Vögel.
Ein Fehler in der Zeitrechnung (welches Jahr haben wir eigentlich?) ist schuld daran,
dass wir Barrys und Susans in der Luft liegende Einladung zum Übernachten nicht einmal
abwarten.
Gute Idee, uns zum Weiterfahren zu vergattern, Tobi: Es ist ja schließlich erst halb
sieben!! - Wenn Dummheit Gas geben tät, müsstest du zwar beim Bergauffahren mit
beiden Händen bremsen, aber sonst …
Trotzdem, ein Hauch von Dekadenz ist schon dabei: Mit stolzgeschwellter Brust fahren
wir noch ein Stündchen, erfüllen das übliche Pensum von hundert Kilometern und warten
dann, was für eine Übernachtung uns wohl stattdessen in den Schoß fällt.
Der Golfplatz von LeRoy hat sich inzwischen in eine romantische Seenlandschaft ver-
wandelt, gleich mehrere Spielplätze laden zum Baden ein. Bei einer der örtlichen Kirchen
(davon gibt es hier besonders reichlich) finden wir schließlich warmherzige Aufnahme.
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