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Am späten Vormittag feiern wir ein Wiedersehen mit Route 28, die wir gestern um Wood-
stock willen verlassen hatten. Route 28 führt uns laut Karte zum ersten Mal durch India-
nergebiet. Hätte nicht heute mein Radcomputer seinen Geist aufgegeben (Stefans funktio-
niert seit gestern wieder), dann wäre es dank plötzlicher Sonne und blauem Himmel ein
restlos schöner Tag geworden.
Sonne und blauem Himmel ist es dann zu verdanken, dass wir einen kräftigen Sonnen-
brand bekommen - allerdings nur links: Logisch, wir fahren ja immer nur nach Westen.
Und die Sonne wandert den ganzen Tag südlich, also links von uns vorbei.
Als uns die Sonne schon lange überholt hat und es bereits dämmert, kommen wir in einen
Ort namens Walton. Stefan mag die Stadt schon nicht, als wir hineinfahren. Aber es ist zu
spät, um noch weiter zu suchen.
Walton ist seltsam schaurig. Dicke, hässliche Menschen, die sich alle irgendwie ähn-
lich sehen. High noon. Ich und er. Der Radfahrer und der Ort. Ich komme mir beob-
achtet vor. Dabei ist die Stadt wie ausgestorben. - Dass das nur mal keine Falle ist!?
Die meisten Einwohner sind bei einem „Ballgame“, sagt man uns. Aber wer weiß, ob
man den Leuten hier trauen kann. - Uns traut man jedenfalls nicht. Ein schlechtes Zeichen!
Wir finden niemanden, der uns beherbergen will. Als letzten Ausweg fragen wir schließ-
lich bei einer Kirche um Quartier. Der Pastor ist konsequenterweise gerade bei einer Be-
erdigung. Aber ein Kaffeekränzchen alter kichernder Ladys nimmt uns äußerst herzlich im
Pfarrsaal auf und bewirtet uns mit Keksen. Eine der Damen bringt uns schließlich gleich
nebenan bei ihrem Sohn unter.
Trotzdem, ein stupides Nest.
7.
Nichts geht mehr.
Robert De Niro in „Casino“
Als ich am Morgen auf die Veranda trete, ist mein Fahrrad weg. Panik! - Als ich
zurück ins Haus stürze, lehnt es wie selbstverständlich am Küchentisch (wo sonst?);
ich hatte es im Vorbeigehen einfach übersehen … So viel zu meinem heutigen Geis-
teszustand.
Eigentlich wollten wir Walton ja so schnell wie möglich verlassen, aber als uns am Orts-
ausgang der Hunger übermannt, fallen wir stattdessen in ein Deli ein, wo wir bei einer Kell-
nerin namens Denise Frühstück um 99 Cents bestellen. Wir essen alles auf und bestellen
danach bei der Kellnerin namens Denise umgehend noch einmal Frühstück. Doch die Kell-
nerin lässt sich nicht verwirren und berechnet uns das Frühstück gleich viermal. (Hatten
wir wirklich so viel?) Danach gelingt es uns, spät aber doch, mit heiler Haut aus Walton zu
entkommen.
Es ist der mühsamste Tag bisher. In der Ebene hätten wir vielleicht 100 Meilen gemacht;
aber in den Bergen um Masonville …
- Vielleicht der Fluch der Waltons? Die ganze Zeit
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