Travel Reference
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nicht so aus, als wollte ihn heute noch einmal jemand so richtig über uns ausdrücken. Ges-
tern haben wir ohnehin genug abgekriegt.
Am frühen Nachmittag erreichen wir unseren dritten Bundesstaat: New York. Dabei
wussten wir vor dieser Reise nicht einmal, dass der überhaupt existiert.
Eine Spielregel wird geboren: Die Staatsgrenze überqueren wir nebeneinander fahrend,
Rad an Rad. Dieses neue Ritual soll uns ab jetzt immer daran erinnern, dass wir - Egotrip
hin oder her - diese Reise gemeinsam unternehmen: Alles wird brüderlich geteilt - An-
strengung, Qual, schlechte Laune, mieses Wetter; und folglich auch die „prima nox“ beim
Befahren neuer Bundesstaaten.
Immerhin, New York ist schon Nummer drei auf unserem noch grünen Kerbholz, so ge-
sehen haben wir einen bemerkenswerten Teil unserer großen Mission bereits erledigt. Ein
kleiner „Meilenstein“, der uns einen ebenso kurzen wie wertvollen Augenblick der Erleich-
terung verschafft.
Ein alter Bekannter aus Wien, den wir eigentlich im Dörfchen Pine Planes heimsuchen
wollten, lässt sich entschuldigen: Er ist in der City und hat zu viel zu tun, um uns in seinem
Landhaus zu empfangen. Dafür lädt er uns auf seine Kosten über Nacht in einen feinen
New Yorker Jagdclub ein.
Nur 95 Kilometer gefahren, und trotzdem fühlt sich mein Hintern an, als ob jemand seit
der Früh drauf herumgedroschen hätte. Ich habe keine Ahnung, wie ich den morgigen Tag
überstehen soll!
Mashomack Huntingclub: Nobel zurückhaltender Luxus beschleicht uns, als wir auf dem
tiefen Schotterweg zum viktorianischen Clubhaus ausrollen. Der britische Butler kredenzt
zum Abendessen eine wohl sortierte Auswahl neuenglischer Dekadenz: ein Hauch frisch
erlegte Ente à la Surprise als Vorspeise ( wer so richtig auf die Schrotkugel beißt, darf
sich was wünschen, neue Zähne zum Beispiel. - Tobi gewinnt! ), hernach Trüffelpastete
an Preiselbeer, gefolgt von zartrosa Rumpsteak nebst grünem Spargel, weißen Bandnudeln
und gelben Eierschwammerln (und wir dachten, die gibt's nur in good old Europe). Das al-
les passiert vor unseren Augen in Superzeitlupe am Ufer eines im Sonnenuntergang dahin-
glühenden Sees mit einer kleinen Schilfinsel in der Mitte und vielen schnatternden Entlein
darin.
Ein blödsinnig sattes Grinsen stülpt sich plump über unsere bislang heldenhaft-verwege-
nen Mienen. Eigentlich wollten wir als stählerne Abenteurer - zäh wie De Niro, kühl wie
Brando und unrasiert wie Eastwood - die Neue Welt entdecken. Aber was soll's, das kann
ja noch bis morgen warten! Von diesem kleinen Misstritt muss doch wirklich keiner was
erfahren, oder?
Nach dem Bankett fühlen wir uns irgendwie erschöpft. Wohl von der Tafelei - und von
dem anstrengenden Herumgesitze in diesem Renaissancegemälde. Als die Sonne vollstän-
dig im goldfarbenen Wasser eingetaucht ist, entschweben wir in die uns zugedachten Ge-
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