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Mann winkt so entschlossen ab, als wollte er zwei lästige Fliegen erschlagen; er muss noch
irgendwo hin und will uns nicht in seiner Abwesenheit mit der Frau und den beiden Kin-
dern im Haus wissen. Wir sehen wohl gefährlich aus. Irgendwie. Wahrscheinlich sind wir
zu nass, um wie Helden auszusehen.
Spontan (eigentlich aus Versehen) greifen wir zu einer Notlüge: Dass wir vielleicht ein
Buch schreiben werden. Über die netten Leute in Amerika. - Die nächsten eineinhalb Stun-
den verbringen wir daraufhin (auch ohne Ehemann Wayne) im Haus: Spaghetti mit Fleisch-
knödeln seien doch das Mindeste, was sie uns anbieten könne, meint unsere neue Freundin
Liz. Und nachher Eiscreme und Früchte und Kaubonbons für unterwegs. Denn „after all“
sei dies ja Amerika!
Nach ein paar Anrufen bei Nachbarn nehmen uns schließlich die Viksnes aus Norwegen
bei sich auf. Trotz des seltsamen Namens begegnen wir dort einer lieben, warmherzigen
Familie, für die unsere Unterbringung eine Selbstverständlichkeit ist. Unsere durchge-
weichten Radschuhe kommen in, nein, an den Kamin, der Inhalt unserer nassen Radtaschen
in den Wäschetrockner. Wieder etwas dazugelernt: In Zukunft werden wir alles in unseren
Taschen noch zusätzlich in wasserdichte Müllsäcke packen. - Eine morgendliche Routine
mehr.
Heute Nacht schlafen wir in einem Bett. - Endlich. Es ist das erste Mal seit Tagen. Na ja,
zumindest seit vorgestern.
4.
Sollen sie doch Kuchen essen …
Marie Antoinette
Seen im Nebel, Regenwälder, prachtvolle Häuschen, in die man sofort einziehen möchte,
um im Rausch der Idylle irgendein stimmungsvolles Märchen zu schreiben.
Ich komme mir vor wie in einem billigen Computerspiel: Die Raupen, die in Massa-
chusetts über den Pannenstreifen gerobbt sind, hat jetzt irgendwer in Connecticut
durch ein Heer kleiner, roter Eidechsen ersetzt. Level 2 …
Wir weichen, so gut es geht, aus und bezwingen am Vormittag unter stetigen Schlan-
genbewegungen nach links, rechts, oben und unten Connecticuts höchste asphaltierte Erhe-
bung, Morrison Hill (366 Meter).
Ich dachte immer, dass der amerikanische Kontinent eine Scheibe ist. Stimmt aber
nicht. Amerika ist rund. Ein dämlicher Hügel nach dem anderen. Ich frage mich, wie
wir so nach San Francisco kommen sollen. - Ein unbegreifliches Land. Wenn's so wei-
tergeht, landen wir am Ende wieder in Boston.
Der Regen von gestern hat aufgehört. Trotzdem hängen die grauen Wolken noch immer
tief und aufgebläht über der Straße - es könnte jeden Moment wieder beginnen. Manchmal
lösen sich tatsächlich ein paar Tropfen aus dem riesigen Schwamm über uns - aber es sieht
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