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Als sich endlich unsere Haare geglättet haben (dreimal Hochwasseralarm in nur 30 Mi-
nuten) und wir wieder etwas hören können, belehren uns die Einheimischen über den fei-
nen Unterschied zwischen Eastford und Westford. Westford könne man eigentlich kaum
mit Eastford verwechseln: Denn Eastford liegt viel weiter östlich. Und ist außerdem schö-
ner. - Wir sind tief bewegt. Schließlich gibt es niemanden, für den der Unterschied zwi-
schen West und Ost so wichtig ist wie für uns.
Einem der Feuerwehrmänner erzählen wir, wir würden diese Tour eigentlich bloß ma-
chen, weil andere Leute finden, dass das verrückt ist. Er lächelt wissend: Aus demselben
Grund ist er zur freiwilligen Feuerwehr gegangen.
Nachdem wir am frühen Nachmittag endlich doch die heiß ersehnte 190 erreicht haben,
geht es zügig über die Berge. Bei den wenigen Pausen, die wir einlegen, wird uns ohnehin
bloß kalt - also verlegen wir uns aufs Radfahren.
Kurz nach Stafford Springs versagt mein Radcomputer - na ja, es ist schon der
dritte Tag, immerhin!
Nach Springfield meldet er sich plötzlich wieder und spuckt die neuesten Lottozah-
len aus. Dies ermöglicht einen neuen Weltrekord: 411 Meilen in der Stunde, aufge-
stellt am Ende von Route 190. Toll, in zehn Stunden könnten wir in San Francisco
sein!
Langsam sickert bei uns die Erkenntnis durch, dass man bei einer Dauerleistung wie
stundenlangem Radfahren vorbeugend essen muss. Erst dann zu essen, wenn man Hunger
hat, ist dumm. Das ist wie mit Vollgas auf der Autobahn fahren und erst ans Tanken denken,
wenn der Motor stottert. Der dumme Mann muss schieben.
Ähnlich ergeht es uns heute auch: Mühsam, immer mühsamer schieben wir uns die end-
los aneinander gereihten Hügel hinauf. Das wird bestimmt das letzte Mal sein, dass wir
keine Notverpflegung dabeihaben. Vorhin erst waren wir vor Gier zitternd auf allen vieren
in einen Diner gekrochen, um ein paar Sandwiches in uns hineinzuschlingen. Aber dieses
„Vorhin“ ist nun auch schon wieder zu lange her.
Abends noch immer dasselbe Bild: In dichten Nebel gehüllt und triefend nass kämpfen
wir uns die Berge von Connecticut hinauf. Wir sind nun schon seit Stunden an keinem Deli
mehr vorbeigekommen. Warum haben die Amis mitten in diesen Wald keinen Supermarkt
gebaut? Verdammt, die sind doch sonst nicht so zimperlich! Eins ist jedenfalls klar: Die
Kalorien, die nötig sind, um diesen Hügel hinaufzukriechen, haben wir schon ein paar Hü-
gel zuvor verbraucht …
Gegen 19 Uhr klopfen wir mit durchweichten Fingern an die erstbeste Tür. - „Hunger!“,
denken wir, und bestimmt liegt dabei ein gieriger Glanz in unseren Augen. Nichtsdestotrotz
heißt es Fassung bewahren und diplomatisch vorgehen. Doch die Frau, die uns öffnet,
liest offenbar irgendeine andere, mehr körperliche Gier aus unseren Blicken. Sie lässt uns
erst mal unter ihrem Vordach stehen und ist trotz nimmermüden amerikanischen Lächelns
sichtlich schockiert, als ihr klar wird, dass wir Unterschlupf in ihrer Garage begehren. Ihr
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