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In San Francisco macht das Radfahren plötzlich wieder Spaß! Wir rasen wie die Verrück-
ten die Hügel der Stadt rauf und runter. Geht ja ganz leicht ohne 15 Kilo Gepäck. Und die
Aussichten, die sich dabei auf die Bay-Area und die malerischen Stadtschluchten bieten,
sind einfach toll.
Jetzt sind wir Touristen. Die Erleichterung, nicht mehr radeln zu müssen, den Kilometer-
zähler abstellen und aus unserer Uniform schlüpfen zu können, ist groß. So ähnlich muss
es sein, wenn man nach einer langen Theatertournee aus dem Kostüm eines Löwen schlüpft
und sich zu den Schafen zurück in die Herde begibt, tief im Herzen aber nicht vergisst, wie
man brüllt, jagt und „draußen“ überlebt.
Unsere Reise ist wie eine lange, steile Wendeltreppe. Nun sind wir oben angekommen.
Toll, was wir alles hinter uns haben. Voll Stolz schauen wir zurück. Doch wirklich sehen
kann man's gerade bis zur letzten Kurve.
Ein Abenteuer in Stein gehauen. Wir können nichts mehr daran ändern. Was während der
Reise so locker von der Hand ging, was oft selbstverständlich und manchmal im Überfluss
vorhanden war, ist mit einem Mal vorbei.
Es ist Geschichte geworden.
Wieder daheim?
Wir sitzen in der Maschine zurück nach Paris. In weniger als zwölf Stunden sind wir wie-
der zu Hause. Zuhause? Was ist das nach so einem Abenteuer? Zuhause ist im Augenblick
wie das Glas Bordeaux, das wir von der Stewardess serviert bekommen, und das kleine
Stück Camembert, das wir so lange nicht kriegen konnten und das ich erst jetzt, in die-
sem Moment, vermisse, weil mir der reife Walnussduft des französischen Käses in die Nase
steigt.
Ich muss die Augen schließen beim ersten Schluck aus dem Glas: Da war doch was, et-
was unheimlich Vertrautes und Behütendes. Der trockene Bordeaux kitzelt meine Magen-
nerven, dass es an den Haarwurzeln kribbelt. Das Kribbeln verebbt langsam, Zufrieden-
heit bleibt. Gesichter und Stimmungen flackern auf: Drago und Flori in Canada - der Ge-
schmack von Filetsteak bei Debbie in Iowa - Flugversuche mit Chuck in den Sanddünen
von Idaho - das Gefühl, klatschnass bis auf die Haut und trotzdem rundum glücklich zu
sein - Tischfußball in Woodstock - Sterben und Leben in den Big Horn Mountains - der
Duft von Sagebrush - der Geschmack von klarem, kaltem Wasser - und diese unsterblichen
Augenblicke, in denen man auf einer endlosen Landstraße alles um sich herum vergisst,
weil eine Stimme ganz tief drinnen sanft und leise „Schschsch… !“ gesagt hat.
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